Ein Leitfaden für die Frau 1993

■ ... erstellt von Roten Roben

...erstellt von Roten Roben:

Es ist grundsätzlich rechtswidrig, eine Schwangerschaft abzubrechen, außer: dein Leben ist in Gefahr oder dein Kind kommt vielleicht schwerbehindert zur Welt oder du kannst amtsärztlich nachweisen, daß deine Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung zustande kam.

Solltest du trotzdem der Meinung sein, kein Kind aufziehen zu können, hast du nicht richtig nachgedacht und bist dir deiner Verantwortung nicht bewußt. Du mußt deshalb zur Beratungsstelle gehen und dich rechtfertigen. Man oder frau wird dich so lange beraten, bis du mit oder auch ohne Freude und Hoffnung dein Kind austrägst; schließlich ist das Ziel der Beratung staatlich festgelegt: kontrollierte Beratung mit Qualitätsgarantie. Nicht vorgesehen dagegen ist die praktische Unterstützung: eine Arbeitsstelle, eine Wohnung, ein Kindergartenplatz.

Solltest du an diese Hilfe nicht glauben, dann hilf dir selbst und bezahl auch dafür. Hast du nicht viel Geld und auch keinen Anspruch auf Sozialhilfe, hast du Pech gehabt. Gehe also zum Kurpfuscher. Begib dich direkt dorthin, bald sind die zwölf Wochen um...

Immerhin: Nach jahrzehntelangem Kampf von Frauen ist doch etwas erreicht: nicht mehr Ärzte und Berater, sondern du als betroffene Frau hast das letzte Wort darüber, ob du Mutter werden kannst und willst oder nicht.

Es ist wenigstens ein kleines Zugeständnis an die immer schon bestehende Realität. Denn in der Geschichte des Paragraphen 218 ist es noch nie darum gegangen, ob abgetrieben wird, sondern nur wie: selbstbestimmt oder entmündigt und bevormundet.

Von Selbstbestimmung kann jedoch auch nach dem neuen Urteil der Roten Roben keine Rede sein: Abtreibung ist auch heute noch kein Recht, sondern eine Gnade. Die schwangere Frau muß sich in einer Zwangsberatung rechtfertigen, mit Vorhaltungen, Druck und Schuldgefühlen fertig werden. Ihr wird mit Mißtrauen und Entwürdigung begegnet von Männern und auch Frauen, die an den Schalthebeln der Macht sitzen. Ein Urteil, das sich so sehr für ungeborenes Leben einsetzt; geborenes Leben – Kind und Mutter aber alleine läßt.

[...] Wir Frauen werden weiter kämpfen müssen

– für das Recht aller Frauen, selbst über ihr Leben zu entscheiden, frei von finanziellem Druck,

– für die ersatzlose Streichung des Paragraphen 218.

Wir Frauen wollen selbst die Verantwortung für uns – ob mit oder ohne Kinder! Frauenfragen – Frauenpolitik

e.V., Norderstedt