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Lokalkoloratur

Ottensen hat einen Ur-Einwohner weniger: Gestern, pünktlich um 16.23 Uhr, bestieg Rolf Lutzke mit seiner türkischen Ehefrau Bilgin und Töchterchen den ICE Richtung Süden. Ihn treibts jetzt endgültig nach Frankfurt, wo er in der Zentrale der Eisenbahnergewerkschaft (GdED) – auch die „stumpfe Speerspitze der Arbeiterklasse“ genannt – die Aufgabe eines Schwerpunktsekretärs übernommen hat. Das 38 Jahre alte Mottenburger Original, das bisher seinem Viertel nie den Rücken kehrte, hat seine Qualitäten über zwei Jahrzehnte bewiesen. Mit 17 trat der S-Bahner in die GdED ein, mischte kräftig in der DGB-Jugendarbeit mit und machte den DKP-Gremien-Cracks das Leben schwer. 1990 organisierte er als GdED-Bezirkssekretär den S-Bahn-Warnstreik im Altonaer Leitwerk. 1992 rief ihn der Big-Boß nach Frankfurt. Die Zentrale beauftragte Lutzke, die Streiks in den ICE-Ausbesserungswerken in Eidelstedt zu leiten. Mit Erfolg. Nach einer Woche machte die ICE-High-Tech- Flotte schlapp. Auch gesellschaftspolitisch war der verkappte Linksradikale mit SPD-Parteibuch und Beamtenmentalität stets agil: Verstieß jemand gegen die Dienstvorschrift – wie beim Doberaner Polizeikessel – reichte Lutzke prompt Klage ein. Nur eines hängt ihm jetzt zum Hals raus: Die wöchentlichen Fahrten Frankfurt-Hamburg - trotz ICE.

Kai von Appen

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