NEULICH...

■ ...beim Friseur

NEULICH ...

... beim Friseur

Es ist manchmal nicht von Vorteil, sich obenrum runderneuern zu lassen, wenn man unten drunter schlechte Laune hat. Wozu da verschönern? Wozu Haltloses in Form bringen? Da ist es nur gerecht, daß man direkt drankommt. Und zur Strafe gleich mit kochendem Wasser überbrüht wird, daß das Schampong zischt. Dann wird man gezwungen, in den Spiegel zu schauen, sieht dort eine Art Speerspitze mit Frotteetuch und darf raten, wer das sein könnte.

Nachdem du richtig geraten hast, erhältst du zur Belohnung dein Haupthaar in sieben Pinsel abgeteilt und darfst ein Weilchen so bleiben. Denn grade kommt der Freund der Frisöse zu einem kleinen Hallöchen herein, hach, so eine Überraschung aber auch, nein, du störst gar nicht, Udo: willst du'n Kaffee? Achja, Kaffee! Das wär' mal was. Aber wer denkt jetzt an dich, wenn Udo da ist! Und also ballst du unter der formschönen Kittelschürze die klammen Fäustchen und harrst du der Dinge. Leise weinen die Pinsel und wollen nach Hause.

Weil aber eh schon alles entsetzlich ist und auch so naß, bleiben wir alle hier, und da kommt sie ja auch schon wieder und ist zum Dank noch besser drauf als so schon. Ein plapperndes Klappern hebt an, daß du wünschst, sie hätte dich doch besser ganz vergessen. Nein, hurtig streifen wir ihre glücklichen kleinen Eltern in Mönchengladbach, die Schwierigkeit von Meisterprüfungen in Oldenburg, umfassende Ausflugsvorhaben an den Weserbergrand, vielleicht auch in den Harz, die Vorteile von Haarteilen und die Nachteile von gewissen Elternteilen und noch viel mehr.

Weil sie höflich ist, macht sie ab und zu eine Pause, damit du aus deinem Leben etwas Senf dazugeben kannst. Verbittert aber schwelgst du in deinem Pech: Im Nacken kriechen feindliche Härchen wie Käfer, in die Augen stippt der Pony und mitten im Kopf hängen Gedanken wie nasse Säcke. Bloß über dir läuft im Sauseschritt die Leichtigkeit des Lebens, als wär's nicht schwer. Claudia Kohlhase