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■ PortraitTsutomu Hata

Als Tsutomu Hata am letzten Freitag bei der Mißtrauensabstimmung im japanischen Parlament seine Nein- Stimme gegen die Regierung abgab, jubelte die Opposition, als sei ihr gerade ein Retter erschienen. Sozialdemokraten und Kommunisten freuten sich nicht zu früh. Der ehemalige Finanzminister Hata, 57, machte bereits vier Tage später sein Versprechen wahr, aus der Liberaldemokratischen Partei (LDP) auszutreten, der er 20 Jahre als Abgeordneter in Tokio gedient hatte. Gestern vollzog Hata mit Gründung seiner neuen Partei, der „Shinseito“, der „Partei der Wiedergeburt“, den endgültigen Schritt in die Opposition – fragt sich nur, für wie lange.

Was nämlich vor Wochen noch undenkbar war, erscheint heute ausgemacht: Tsutomu Hata soll nach den Wahlen am 18. Juli Japans neuer Premierminister werden und damit der erste Chef einer von der Opposition gebildeten Regierung.

Schon erwecken die Japaner den Eindruck, als könnten sie es nicht abwarten, einen derart charmanten und unbefangenen Typen wie Hata ins wichtigste politische Amt zu wählen. Von zuletzt 50 auf 90 Prozent könnte Hatas Kandidatur die Wahlbeteiligung laut jüngsten Umfragen treiben. Der Mann ist für Japan wie gemacht: unprätentiös arbeitete er die ersten zehn Jahre nach seinem Studium als Bus-Tour-Organisator. So war Hata bis zu seinem 35. Lebensjahr ein ganz gewöhnlicher Angestellter, und jeder Japaner weiß, daß Japan eine Angestellten-Gesellschaft ist.

Bald Premier von Japans erster Oppositionsregierung? Foto: Reuter

Zudem besitzt dieser Mann Anstand. Er kommt aus Nagano in den japanischen Alpen, eine früher arme Bergprovinz, für die schon sein Vater im Tokioter Parlament saß. In der Hauptstadt zählten die Hatas schon deshalb zu den besonders geachteten Abgeordneten, weil sie über wenig Spendengelder verfügten. Im Kampf um die Macht in der LDP spielten Vater und Sohn deshalb lange Zeit keine Rolle. Erst in den achtziger Jahren rückte Tsutomu Hata ins Blickfeld der diskreditierten Parteisenioren. Hata, vom amtierenden Premierminister Kiichi Miyazawa schließlich ins Finanzministerium berufen, sollte das Image der LDP aufpolieren und erschien dabei harmlos genug, den Älteren keinen Schaden zuzufügen. Welch ein Fehlkalkül! Georg Blume, Tokio

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