Marokko wählt — Islamisten nicht dabei

■ Bei den heutigen Parlamentswahlen muß die besetzte Westsahara mitwählen

Kairo (taz) – Heute werden zwölf Millionen Marokkaner zu den Urnen schreiten, um zwei Drittel der 333 Parlamentsabgeordneten zu wählen. Das letzte Drittel wird von Kommunalräten und Berufsgenossenschaften ernannt. Marokkos Monarch, König Hassan II, demonstrierte in den Tagen vor dem Urnengang, daß er über den Dingen steht: Er weilte auf Staatsbesuch in Washington und ließ außerdem eine persönliche Spende für die islamischen Heiligtümer nach Jerusalem schicken: 350 Teppiche für den Felsendom und die Al-Aksa-Moschee. Die Grenzen der politischen Freiheit im Inneren Marokkos läßt der außenpolitische Pragmatiker und „Emir der Gläubigen“ nach wie vor wenig gnädig von Geheimdienst und Polizei ziehen.

Auf diesem engen Terrain stellen sich heute die elf zugelassenen Parteien zur Wahl. 2.034 Kandidaten bewerben sich um die Parlamentssitze. Änderungen der politischen Landkarte werden denn auch kaum erwartet. Drei Bündnisse werden die Wahl zwischen sich entscheiden. Da ist zunächst die „Nationale Sammlung für Liberale“, geführt vom ehemaligen Parlamentssprecher Ahmed Othman, einem Schwager und Ex- Schulkameraden von König Hassan II. Viele nennen das Bündnis , das bei den Kommunalwahlen im Oktober die meisten Stimmen bekam, „Klub für höhere Staatspersönlichkeiten“.

Das zweite Bündnis besteht aus zwei Oppositionsparteien, der „Hisb Al-Istiqlal“ (Unabhängigkeitspartei) und der „Sozialistischen Union“. Sie stellten ihre oft bitteren Auseinandersetzungen jetzt zurück und ergänzten sich wahltaktisch bestens. Intellektuelle und Gewerkschafter unterstützen die linksangehauchte „Sozialistische Union“, die ihre Basis in den Industriestädten hat. Die national-konservative „Istiqlal“- Partei wird auf dem Land und in den konservativen Städten Fez und Marakkesch unterstützt.

Der dritte Block „Wifaq Al- Watani“ (Nationale Übereinkunft), besteht aus drei Parteien, darunter einer Berberpartei. Einzige Übereinkunft ist, gemeinsam ins Parlament einzuziehen. Der „Wifaq Al-Watani“ gilt als konservativ, liberal und regimehörig.

Größte Konkurrenz der drei Blöcke sind die „Unabhängigen“, die sich selber als parteilos bezeichnen. Aus den Gemeinderatswahlen gingen die „Unabhängigen“ als zweitstärkste Kraft hervor. Die Oppositionsparteien werfen der Regierung vor, hinter den Kulissen die Kandidatur möglichst vieler Unabhängiger zwecks Stimmenspaltung gefördert zu haben.

Arbeitslosigkeit und Korruption, das Gleichgewichte zwischen öffentlichem und privatem Sektor und der Aufbau eines demokratischen Rechtsstaates sind die Hauptthemen aller Wahlprogramme. Und noch eines haben sie gemeinsam: keine erwähnt das Problem der von Marokko besetzten Westsahara. Durch Einbeziehung des Gebietes in die Wahlen versucht das Regime Fakten zu schaffen, obwohl die UNO dort ein Referendum über die Unabhängigkeit des Gebietes vorbereitet.

Die „Anwesenden-Abwesenden“ in diesen Wahlen sind die Islamisten. Obwohl nicht so stark wie in Algerien und Tunesien, haben sie viel Einfluß. Anders als in Algerien und Ägypten fordern sie nicht den Sturz eines „ungläubigen“ Regimes. Das wäre politischer Selbstmord, denn nach der Verfassung ist Marokko ein islamischer Staat. Die königlichen Institutionen haben für die Bevölkerung religiöse Autorität. So begnügen sie sich mit der Forderung nach „islamischen Reformen“. Obwohl sie keine eigenen Kandidaten aufstellen konnten, buhlen die Parteien um ihre Unterstützung.

Das neue Parlament wird das erste in der Geschichte Marokkos mit nennenswerten Vollmachten sein. Nach der Verfassungsänderung des letzten Jahres muß die Regierung erstmals die Zustimmung der Volksvertreter zum Regierungsprogramm einholen. Doch das letzte Wort hat auch in Zukunft der König. Khalil Abied