Die Rose von Soweto

■ Der südafrikanische Leichtgewichtsboxer Dingaan Thobela: vom Straßenbengel zum Helden der Nation

Sun City (taz) – Die Werbung hatte den Kampf zum „Jüngsten Tag“ aufgebauscht. Mit den „Hoffnungen der Nation in den Fäusten“ stieg Südafrikas Dingaan Thobela am Samstagabend in den Ring und holte in zwölf Runden tatsächlich den Weltmeistertitel im Leichtgewicht gegen Tony „Der Tiger“ Lopez aus Sacramento in Kalifornien. Damit erfüllte sich vor den 7.500 Zuschauern in der Superbowl des Vergnügungscenters Sun City nicht nur der Kindheitstraum von Dingaan Thobela, es vollendete sich auch die südafrikanische Version der Tellerwäscher-Karriere: der 1967 in der Schwarzen-Township Soweto bei Johannesburg geborene 25jährige Boxer kämpfte sich trotz Apartheid mit den Fäusten vom Straßenbengel zur „Rose von Soweto“ empor – dem Publikumsliebling, der vor jedem Boxfight Rosen verteilt.

Dingaan Thobela gehört zur sogenannten „verlorenen Generation“ Südafrikas, zu den rund zehn Millionen Südafrikanern zwischen 16 und 30 Jahren, deren Leben seit 1976 vom Kampf gegen das Apartheid-Regime der weißen Minderheit bestimmt war. Mit ausgeklügelten Gesetzen und Vorschriften zur Rassendiskriminierung hatten die weißen Herren am Kap seit 1948 versucht, der schwarzen Bevölkerungsmehrheit Perspektiven und Hoffnungen für die Zukunft zu nehmen. Das Ergebnis war massiver Widerstand.

Doch während sich viele junge Leute in Straßenkämpfen aufrieben, wurde Dingaan Thobela von seinem Vater, einst Rosenzüchter und heute Besitzer einer Karosseriewerkstatt in Soweto, in einen Boxklub gesteckt. „Du mußt dich aus allen Schwierigkeiten heraushalten,“ predigte Vater Godfrey dem jungen Dingaan immer wieder.

Der gutgemeinte Rat wirkte sich auch auf den Boxstil des frischgebackenen Weltmeisters aus. „Ich gehe nie in den Infight, weil ich nicht getroffen werden möchte“, erklärt Dingaan Thobela. Das jungenhafte Gesicht ohne Narben bezeugt, daß sich hinter diesen Worten auch technisches Können verbirgt.

Der Stil freilich hätte den Herausforderer am Samstag beinahe um den Erfolg gegen den verbissen kämpfenden Titelverteidiger Lopez gebracht – so wie er Anfang des Jahres beim Hinkampf im kalifornischen Sacramento trotz Überlegenheit für eine Punktniederlage sorgte. Dabei besitzt Thobela gehörige Schlagkraft. Von seinen 29 Profikämpfen beendete der 25jährige Boxer 15 durch K.o.

„Ich werde meine Herkunft nie vergessen“, schwört Thobela immer wieder seinen Anhängern in den südafrikanischen Townships. Jahrelang drängten sich die Buben der Nachbarschaft in dem kleinen Haus der Familie Thobela, um per Video immer wieder die Kämpfe ihres Idols zu betrachten. Doch längst zollt auch die „Rose von Soweto“ dem Glitzer der Boxwelt ihren Kredit. Der Gebrauchtwagen wich einem blitzblanken und aufgemotzten Opel Kalibri. „The Rose“, wie ihn jeder kennt, machte sich nicht nur einen Namen im Ring, sondern auch als Frauenheld. Die Sponsoren von „Black like me“, einem Haarmittel mit vorwiegend schwarzer Kundschaft, basteln sorgfältig an diesem Imagewandel.

Nach dem Gewinn der WBO- Weltmeisterschaft soll nun das große Geld für den Leichtgewichtler folgen. Rund 250.000 US-Dollar erhielt der junge Mann aus Soweto für seinen Kampf gegen Lopez, der mit 750.000 Dollar nach Hause fuhr.

Die „Rose von Soweto“ ist zwar nicht Südafrikas erster Boxweltmeister, aber vor ihm dürfte wegen der Apartheid keinem schwarzen Sportler die rassenübergreifende Popularität vergönnt gewesen sein, die Thobela nun zuteil wird. Jetzt erwacht plötzlich auch das politische Gewissen des Kämpfers aus Soweto. „Ich weiß, wenn alle so gehandelt hätten wie ich“, gibt Thobela heute zu, „hätte sich in Südafrika an der Apartheid wohl nichts geändert.“

Eine Woche vor seinem Kampf präsentierte sich die „Rose von Soweto“ mit Nelson Mandela, dem Präsidenten des „African National Congress“ der Öffentlichkeit. Der ANC-Chef pries Südafrikas neuen Weltmeister als „Mann des Volkes“. Nicht ganz ohne Hintersinn: Die Widerstandsorganisation hofft, daß Leichtgewichtler Dingaan Thobela im kommenden Jahr bei den ersten freien Wahlen des Landes den ANC unterstützt – und so hilft, dem noch amtierenden Präsidenten Frederik W. de Klerk das entscheidende K.o. zu versetzen. Willi Germund