■ Illustre Illustrierte (5)
: Meine Beziehung zu „Prinz“

Beim ersten flüchtigen Durchblättern könnte man Wild und Hund, die Zeitschrift für Jäger und andere Naturfreunde, für eines jener Hobby-Hochglanzmagazine halten, die auf Gästetoiletten luxuriöser Einfamilienhäuser ungelesen vor sich hingammeln. Doch kaum überblättert man die ganzseitigen Bambi-Fotos und konzentriert sich auf die kleinen Abbildungen, wird es interessant.

Männer über 50, graumeliert und mit Doppelkinn, lassen sich in grüner Camouflage oder in zivilen Glencheck-Jacken in den merkwürdigsten Posen ablichten. (Basteltip: Fotos ausschneiden und im Copy-Shop vergrößert auf T-Shirts drucken!). Ein Beispiel:

Michael Rehbogen beim „Schlag zum Bärenjäger“. Über einen frisch erlegten „Petz“ (von Petzi – der Bär) beugt sich – den Arsch in die Höhe gestreckt – Herr Rehbogen und läßt sich von einem Genossen mit einem Stock verprügeln.

SM, mutmaßt die fachfremde Leserin, doch nur, um Bildunterschriften zu finden, die Titanic- Fans der ausgekochten Sorte erfreuen dürften. „Die rumänischen Gastgeber freuen sich mit dem Erleger. Als willkommenes Zubrot gab es noch einen Keiler. Im Hintergrund die Luderhütte.“

Wild und Hund ist ein klassisches Magazin mit stets gleich gehäkeltem Aufbau. Im vorderen Teil einige „sachlich“ geschriebene Reportagen, in denen gegen ignorante Journalisten und „Öko-Terroristen“ und „Grüne (politisch gesehen)“ gehetzt wird. Diese Texte dienen der Stärkung des Selbstbewußtseins der Jäger, die von der Öffentlichkeit immer nur verachtet und von allen Medien „gehässig bekämpft“ werden. Dann folgen einige, wegen apokryphen Fachvokabulars unleserliche Wummenbeschreibungen.

Die Kurznachrichten aus aller Welt sind dann wieder recht kurzweilig, eben Klatsch und Tratsch wie zum Beispiel über „Herrscherfamilien aus den Vereinigten Arabischen Emiraten“, die aus Tansania auf skandalöse Weise Zebras und Antilopen im Flugzeug entführen. Auch aus unseren Breiten, zuletzt aus dem rheinländischen Kerpen, wird Sonderbares von „Sauen in der Stadt“ berichtet: „Der Schwarzkittel war durch die geschlossene Terrassentürscheibe gerast, hatte dort vieles durcheinandergeworfen, war dann durch die geschlossene Tür ins Bad geflüchtet (...) und schließlich durch eine Fensterscheibe des Schlafzimmers hindurch ins Freie gelangt.“

Die eigentlichen Wild und Hund-Filetstücke findet man aber erst nach den Wildbret- Kochrezepten: die Erlebnisberichte in der Ich-Form. Mit homophilem Unterton erzählen Jäger, deren Hand vom vielen Gewehrhalten etwas ungelenk geworden ist, von den Nächten auf dem Hochsitz. Immer wieder ist von Träumen die Rede, von zitternden, schwitzenden Händen, Herzklopfen, echten Freundschaften und geradezu ekstatischen Naturerlebnissen.

„Mein Prinz“ tauft zum Beispiel Jürgen Conze in seinem Aufsatz „Die Böcke der anderen ...“ einen Hirschen mit „starken, bereits blankgefegten Stangen“, den er zuerst im „Traumtal“ erblickt hatte. „Irgendwie war eine Beziehung zu dem Bock entstanden und immer intensiver geworden.“

Conze erlegt das wehrlose Tier am Vorabend des zweiten Jahrestages der deutschen Einheit. Viel ging ihm durch den Sinn, als er beim „Prinzen“ an der Heckenrose saß ... „Wenn du fällst, das ist etwas nur zwischen dir und mir.“

Die authentischen Jägerstories in Wild und Hund gleichen bis aufs I-Tüpfelchen der Bekenntnisliteratur der 70er Jahre. Es sind emotionale Offenbarungen, Enthüllungen und Beichten von mutmaßlichen Bankdirektoren und alternden Prokuristen, also Personen, die es im Berufsleben niemals wagen würden, auch nur den obersten Knopf vom Oberhemd zu öffnen. Deswegen ist Wild und Hund eine Herausforderung für jeden Soziologen und ein gefundenes Fressen für Klaus Theweleit. Dorothee Wenner