Anwalt: Senatorin Gaertner war Mindestbremerin

■ Regierungsanwalt: Sozialsenatorin aus Hessen erfüllt alle Wahlvoraussetzungen für ein Bremer Senatsamt

Die Senatorin für Jugend, Soziales und Gesundheit, Irmgard Gaertner (SPD), erfüllt alle Wahlvoraussetzungen für die Übernahme eines Bremer Regierungsamtes. Das bescheinigte der Senatorin gestern Regierungsanwalt Volkmar Schottelius, der im Auftrag der Senatorin ein Rechtsgutachten erstellt hat. Darin sollte vor allem die Frage geklärt werden, ob Frau Gaertner die im Bremischen Wahlgesetz geforderten drei Monate vor ihrer Wahl im Gebiet der Freien Hansestadt Bremen gewohnt hat.

Zum Hintergrund: Die Ressortleitung Jugend, Soziales und Gesundheit war nach Bildung des Ampelsenats im Dezember 1991 zunächst von der Senatorin für Arbeit und Frauen, Sabine Uhl (SPD) kommissarisch übernommen worden. Einig war sich die Regierung, daß die damalige Direktorin des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Irmgard Gaertner, das Amt übernehmen sollte. Die wohnte damals in Kassel. Gaertner wurde plangemäß Ende März von der Bremischen Bürgerschaft in das Senatorinnenamt nachgewählt. Die Anzeigenzeitung Weser- Report hatte veröffentlicht, daß Gaertner bis zum Zeitpunkt ihrer Wahl nur eine Bremer „Briefkasten-Adresse“ gehalten habe und damit die Voraussetzung des Bremer Wahlgesetzes für die Wahl in den Senat nicht erfülle.

Schottelius erklärte gestern: „Juristisch entscheidend ist, wo der Lebensmittelpunkt einer Person liegt, und der lag für Frau Gaertner in Bremen.“ Polizeilich habe Frau Gaertner ihre Hauptwohnung zum 1.12. in Bremen angemeldet. Trotzdem müsse man ihr zugestehen, daß sie „zur Abwicklung ihrer Geschäfte“ u.a. auch in Kassel wohnhaft gewesen sei. „Richtig ist, daß Sie diese Wohnung in den Monaten Dezember 1991 und Januar, Februar und März 1992 regelmäßig benutzt und bewohnt haben“, schreibt der Anwalt in seinem Gutachten an die Senatorin. Damit habe sie ihr Mindestmaß, sich Sach- und Ortskenntnis anzueignen, erfüllt.

Senatorin Gaertner erklärte, sie habe bis zum Zeitpunkt ihrer Wahl ihre „Arbeit mit Anstand zu Ende bringen“ wollen, habe sich gleichzeitig aber schon voll auf ihre Bremer Aufgabe konzentriert. Sie habe bereits in Kassel Bremer Akten gewälzt und verschiedene Kontakte in die Hansestadt aufgebaut, außerdem, so bescheinigt ihr Schottelius, hat sie vom 7.12.1991 bis zum 24.3.1992 (der Tag vor ihrer Wahl in den Senat) „54 Tage in Kassel, die übrige Zeit in Bremen und außerhalb von Bremen und Kassel verbracht.“

Bürgermeister Claus Jäger (FDP) erklärte, daß die drei-Monats-Klausel im bremischen Wahlgesetz für Regierungsmitglieder abgeschafft gehöre. „Bremen muß ein Interesse daran haben, daß Sachkompetenz in die Regierung geholt wird. Da darf eine solche Inzucht-Klausel keine Hürde für Auswärtige sein.“ Für Mitglieder der Exekutive müßten andere Maßstäbe gelten als für Parlamentarier. Mit der Wahl von Senatorin Dr. Vera Rüdiger 1987 hätte das Parlament die Frist bereits von sechs auf drei Monate verkürzt. Jäger, der damals noch Fraktionsvorsitzender einer Oppositionspartei war: „Das haben wir, wenn ich mich recht entsinne, damals einstimmig beschlossen.“ Jäger verwies in diesem Zusammenhang auf den nichtständigen Verfassungsausschuß der Bürgerschaft, der diesen Vorschlag bereits aufgegriffen habe.

Unklar ist die Lage derzeit noch, was passiert, wenn es ein juristisches Gegengutachten geben sollte. Dr. Andreas Fuchs, Staatsrat der Senatskanzlei, erklärte: „Wir machen hier keine Spielereien.“ Die Bürgerschaft habe vor der Wahl von Senatorin Gaertner die Wahlvoraussetzungen geprüft, damit seien die juristischen Möglichkeiten erschöpft. Fuchs wörtlich: „Alle Gutachten, die sie machen, dienen zwar der Belustigung der Bevölkerung, bringen aber nichts.“ Bürgermeister Jäger war etwas skeptischer. „Natürlich werden sie einen Anwalt finden, der die Gegenposition vertritt. Dann stehen wir vor einer Frage, auf die das Gesetz keine Antwort weiß.“ Völlig abwegig sei jedoch, daß die Senatsentscheidungen, an denen Gaertner mitgewirkt habe, annuliert werden müßten. mad