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Nachschlag

■ Sparraison

Daß der Senatsentscheid, die Staatlichen Bühnen zu schließen, mißlich ist, steht auch bei denen außer Frage, die ihn befürworten. Daß er in den nächsten Jahren nicht die erforderlichen Einsparungen bringt, ebenfalls. Ob dieser Beschluß, der eine stattliche Anzahl von Vertragsbrüchen mit sich bringt, überhaupt rechtmäßig ist, wird derzeit untersucht. Geteilte Meinungen allerdings gibt es hinsichtlich der Überlegung, ob ein solcher Schließungsbefehl notwendig war. Diesbezüglich wäre zunächst die scheinbare Tatsache zu hinterfragen, daß durch gleichmäßige Einsparungen an allen Bühnen dieselben zu Tode gewirtschaftet würden. August Everding, der Präsident des deutschen Bühnenvereins, hat am Sonntag auf der Protestkundgebung deutscher Intendanten im Schiller Theater eine Reihe berechtigter Fragen gestellt: Muß jeder Regisseur seine Protagonisten mitbringen, wenn im Ensemble entsprechende Kräfte vorhanden sind? Müssen für jede Strichfassung gleich Bearbeitertantiemen bezahlt werden? Braucht jedes Programmheft einen Designer? Ist es nicht möglich, Bühnenbilder zu bauen, ohne das Theater für einen Umbautag zu schließen? Die Pfründe des Subventionstheaters müssen überdacht und neu kalkuliert werden.

Solche und ähnliche selbstkritischen Töne, das Selbstverständnis des Theaters und seine Struktur betreffend, waren am Wochenende im Haupthaus der Staatlichen Bühnen Berlins zu hören. Etwas spät vielleicht, doch bislang bestand ja keine drängende Notwendigkeit, an der eigenen Substanz zu kratzen. Jetzt erst ist „die Zeit der Idylle vorbei“, wie Jürgen Flimm, der Geschäftsführer des Thalia Theaters in Hamburg, bemerkte. Daß die Theatermacher das erst jetzt bemerken, liegt an einem Mangel kulturpolitischer Konzeptionen. Warum setzte sich Kultursenator Roloff-Momin nicht mit den Berliner Theaterleitern rechtzeitig an einen Tisch, um gemeinsam Lösungsvorschläge zu erarbeiten?

Die Protestwelle gegen die Schließung des Schiller Theaters ist weder eitle Selbstdarstellung der Bühnenangehörigen noch Nostalgie hinsichtlich seiner Nachkriegstradition. Theatermacher und -macherinnen zwischen Hamburg und München sind sich darüber im klaren, daß sie sich jetzt einmischen müssen, um nicht selbst wegkalkuliert zu werden. Und sie signalisieren deutlich ihre Bereitschaft, ans Eingemachte zu gehen und Reformen durchzuführen. Man darf aber nicht übersehen, daß die Proteste westlastig sind und die Anfänge, denen hier gewehrt werden soll, im Osten bereits ein fortgeschrittenes Stadium erreichten. Volksbühnenchef Frank Castorf hat dies in seiner kurzen Ansprache völlig richtig ins Bewußtsein gerufen. Aber auch, daß die Westtheater erst jetzt solidarisch aktiv werden, ist kein Argument für die Zwecklosigkeit ihres Tuns.

Schade, daß Roloff-Momin nun nicht mehr auf die Berliner Intendanten zugehen und, aufgrund ihrer gemeinsamen Bereitschaft zum Sparen, seinen Schließungsplan revidieren kann. Das hätte zu einem früheren Zeitpunkt das Signal für die Entwicklung einer kulturpolitischen Konzeption sein können, die dem veränderten gesamtdeutschen Kassenstand angemessen gewesen wäre. Petra Kohse

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