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Amtliche Zweifel am Hochschulplan

Am Hochschultag in der Humboldt-Universität rückt Wissenschaftsstaatssekretär Thies von Zielen des Strukturplans ab / Studentische Proteste an der FU abgeflaut, Streik ausgesetzt  ■ Von Christian Füller

In der Berliner Wissenschaftsverwaltung gibt es offenbar Zweifel am eigenen Hochschulstrukturplan. Staatssekretär Erich Thies sagte gestern bei einem „politischen Aktionstag“ an der Humboldt-Universität, man könne die Hochschulen im Westen Berlins nicht vernünftig reformieren und „gleichzeitig die Fachhochschulen aufbauen“. Der Ausbau der FHs ist aber ausdrückliche Zielsetzung des Strukturplans. Die studentischen Proteste an der Freien Universität gegen die mittelfristige Hochschulplanung in Berlin sind mittlerweile abgeflaut.

Auch ein zweites Kernstück des Planes ist für Thies fraglich: die Zweiteilung des Studiums in eine berufsqualifizierende Phase und ein Promotionsstudium. „Ich denke, das ist nicht wünschenswert“, sagte Thies vor rund 400 Studierenden im Audimax der HUB seine Meinung. Nach dem bayerischen Wissenschaftsminister Zehetmair ist der Staatssekretär Thies der zweite Verantwortliche, der von der Zweiteilung des Studiums im Zuge der Reform abrückt.

In der Podiumsdiskussion mit dem Staatssekretär blieb kein gutes Haar am Hochschulstrukturplan. Der Politologe Peter Grottian nannte das Papier „intellektuell fürchterlich arm“. Der Plan sei „buchhalterisch“ und ein pures Zahlenwerk. Er enthalte keine Aussagen über die gesellschaftliche Funktion von Unis, über Bildung oder über den Arbeitsmarkt. „Wider alles Gerede ist der Plan jetzt schon gescheitert“, sagte Grottian. Das Abgeordnetenhaus wird sich nach der Sommerpause mit dem Strukturplan befassen. Bislang haben nur die Hochschulen den Entwurf aus dem Hause des Wissenschaftssenators Erhardt zur Kenntnis genommen.

„Hier sitzt die Generation, die ins Loch fällt“, zeigte Larissa Klinzing von der GEW im Audimax auf die Studierenden. Ihnen werde mit dem Plan das Recht auf Bildung verwehrt. In Ostberlin meldete sich knapp die Hälfte eines Jahrganges für die „höhere Bildung“ an, sagte Klinzing. Die berufliche Bildung sei „weggefallen“. Gleichzeitig baue Berlin Studienplätze ab. Nach dem Hochschulstrukturplan sollen in Berlin 15.000 Studienplätze wegfallen, indem mehrere hundert Professorenstellen abgebaut werden. Staatssekretär Thies erwiderte, in den laufenden Haushaltsberatungen seien die Hochschulen „erstaunlich gut weggekommen“. Berlin „subventioniert die Hochschulen mit vier Milliarden“, sagte Erich Thies.

Am Hochschultag der HUB nahmen rund 1.500 Studierende teil. Neben der Hochschulreform waren der § 218 und das ab morgen geltende neue Asylrecht Themen.

An der Freien Universität in Dahlem fand zeitgleich eine Vollversammlung der StudentInnen statt. Die Institutsbesetzungen sind weitgehend beendet – so wie am Otto-Suhr-Institut, wo eine studentische VV den Streik aussetzte. Auch der „BesetzerInnenrat“ erklärte die Streik- und Blockadeaktionen mit dem heutigen Donnerstag für beendet. Die Kraft sei zu Ende, teilte Claudia Casper von der Studentischen Presseagentur an der FU mit. Es hätten zwar „nicht so viele beim Streik mitgezogen, aber wir haben es geschafft, die Leute über den Hochschulstrukturplan zu informieren“. Das nächste Semester solle von Anfang an ein Streiksemester werden.

Siehe Kommentar auf Seite 17

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