Kein Anlaß zu Veränderungen

■ Nach dem OVG-Urteil: Scientologen trotzig / Müssen Steuern für zehn Jahre rückwirkend bezahlt werden?

Harte Zeiten für Scientology. Nach dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichtes vom Dienstag (taz berichtete) muß die Sekte ihre finanziellen Verhältnisse offevnlegen. Künftig werden sich wohl Beamte des Finanzamtes, der Gewerbeaufsicht und anderer Behörden bei den Scientologen die Klinke in die Hand geben.

Bis zuletzt hatten sich die Scientologen hartnäckig geweigert, ihre Geschäftsbücher offenzulegen: „Der Verkauf von Büchern und Kursen ist Teil der Religionsausübung, das geht den Staat nichts an“. Doch das OVG sah „keinen oder nur einen untergeordneten religiösen Bezug“ und zudem die Absicht der Profiterzielung als erwiesen an. Im Verfahren war ans Licht gekommen, daß die Hamburger Scientologen zehn Prozent ihrer Brutto-Einnahmen auf das Konto der Zentrale in den USA einzahlen.

Zwei Hamburger Bezirksämter warten bereits darauf, daß Scientology die Gewerbe-Anmeldebogen einreicht. Dann steht den Beamten der Weg offen, „die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden“ Scientology zu überprüfen. Das zuständige Rechtsamt weist Spekulationen zurück, gegen die Organisation werde ein „Gewerbeuntersagungsverfahren“ eingeleitet und der Verkauf von Büchern und Kursen verboten.

Die Bezirksämter sind nicht die einzigen Behörden, die sich nun vermutlich dem Scientology-Gewerbe widmen werden. Das Szenario ist: Die Finanzämter werden auf die Abgabenordnung pochen und versuchen, unter anderem Gewerbe- und Körperschaftsteuer einzutreiben. Die Sozialversicherungsträger werden überprüfen, ob für alle Scientology-Beschäftigten auch Beiträge gezahlt werden. Das alles gilt nicht nur für die Zukunft, sondern rückwirkend ab 1984.

„Für uns ist der Umgang mit Scientology durch das OVG-Urteil sehr viel einfacher geworden“, sagt der Sprecher der Hamburger Ersatzkassen-Verbände, Lothar Thormählen. Dieser Verband bietet allen, die sich durch einen „Psychokurs“ von Scientology gesundheitlich geschädigt fühlen, Rechtsschutz an. Wenn eine Körperverletzung nachgewiesen werde, könne Schadensersatz verlangt werden.

Die Hamburger Scientologen sehen nach dem Urteil keinen Anlaß, das Kursangebot oder den Buchhandel aus dem Verein auszugliedern. Die Gewerbeanmeldung, so Vizepräsident Franz Riedl, sei ein „Nebenkriegsschauplatz“ der weltanschaulichen Gegner von Scientology, der „keinen Anlaß zu strukturellen oder organisatorischen Veränderungen gibt“.

Christoph Dernbach (dpa)