Salve Regina für den Kandidaten

■ Ministerpräsidenten-Anwärter Christian Wulff auf Ochsentor / Zurückhaltung kommt an

Eine Insel der Besinnung in einem Tag voller Hektik: Der Kaplan der Barockkirche Sankt Abdon Sennen in Ringelheim im Landkreis Salzgitter „schenkt“ dem CDU-Spitzenkandidaten Christian Wulff für die niedersächsische Landtagswahl ein italienisches „Salve regina“. Mit seiner hohen Stimme — er singt a cappella — füllt er die fast leere Kirche. Wulff, auf Ochsentour durch Niedersachsen, kann es nicht genießen. Er sagt später, ihn habe unruhig gemacht, daß er seinen Zeitplan nicht habe einhalten können. Er hasse es, zu spät zu kommen.

Von Sommerpause kann bei dem gerade 34 Jahre alten politischen Newcomer, für viele Wähler noch ein unbeschriebenes Blatt, keine Rede sein. Er reist seit Juni durch Niedersachsen, will bekannt werden und das Land richtig kennenlernen. Das heißt: zahllose Hände schütteln, nach Problemen aus der Region fragen, immer wieder die wichtigsten CDU-Programmpunkte abspulen, Gespräche mit der örtlichen Prominenz führen und wegen der zu knappen Zeit Parteifreunde vertrösten, die ihm doch noch viel mehr sagen wollten.

Der Terminplan des Juristen am Dienstag dieser Woche: 07.15 Uhr Aufstehen, von 08.15 bis 11.15 Uhr Arbeit in seiner Kanzlei in Osnabrück, danach Fahrt nach Hannover in die CDU-Landeszentrale. 14.00 Uhr Aufbruch nach Wolfenbüttel, dort Führung durch die Herzog August Bibliothek, um 16.30 Empfang bei einem Landhandelsbetrieb mit örtlicher CDU-Prominenz und Bauern. Kurzer Besuch der Barockkirche, um 19.30 Abendessen im im Landkreis Wolfenbüttel mit 110 geladenen Gästen und anschließender Fragerunde. Um 01.00 ist der Kandidat wieder im heimatlichen Osnabrück.

Die Fahrt zu den CDU-Freunden in das immer noch ländliche und strukturschwache ehemalige Zonenrandgebiet ist für Wulff kein Heimspiel. Hier ist der frühere Innenminister Wilfried Hasselmann, mit seinem oft polternden Auftreten, seiner volkstümlichen Art und seinem ausgeprägten Gespür für die Gemütslage der Menschen immer noch sehr beliebt. Wulff wirkt dagegen bisweilen passiv: Während andere reden, guckt er häufig auf den Tisch vor sich und nicht in das Publikum. Seine Arme sind oft abwehrend verschränkt. Die gleichmäßige Sprechweise und die spärliche Gestik lassen den 34jährigen höflich und etwas unauffällig erscheinen.

Dem Kandidaten sind die Schatten Hasselmanns und des ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht bewußt. Er räumt ein, sich in „großen Fußstapfen zu bewegen“, betont aber auch: „Ich stelle einen anderen Typus dar, der niemanden kopieren will“. Seine vermeintliche Schwäche, eben nicht politisches Urgestein mit großem Charisma zu sein, münzt der Rechtsanwalt in einen Vorteil um. Vor allem will sich der Herausforderer von Amtsinhaber Gerhard Schröder abgrenzen: Denjenigen Politikern, die kalkuliert „Emotionen“ in ihre Reden einfließen lassen, die „aufgesetzte Sprüche und Rituale“ benutzen, prophezeit er zunehmende Distanz zu den Wählern, die diese Taktik durchschauen würden.

Im „Alten Dorfkrug“ wiederholt Wulff zum x-ten Male die Eckpunkte des CDU-Wahlprogramms. In der Fragerunde geht Wulff Kontroversen eher verhalten an. Während mehrere ältere Männer zum Beispiel über Probleme bei den Entschädigungen in „Mitteldeutschland“ klagen, spricht Wulff in seinen Antworten von den „neuen Bundesländern“. Wulffs Art scheint gut anzukommen: Ein 51 Jahre alter Landwirt sagt zwar etwas wehmütig: „Mit Hasselmann habe ich oft Lüttje Lagen getrunken. Für mich ist er ein ganz anderes Kaliber“, schränkt jedoch ein: „Aber nicht so offen und ehrlich wie Wulff.“

Hans-Edzard Büsemann/dpa