Datenbanken? Videos? Computerspiele? Bücher?

■ Unter jedem Dach ein Ach (11 ) / Die Stadtbibliothek kämpft mit den Folgekosten des Booms in den Siebzigern / Dauerthema: EDV

Für ein modernes Info-Zentrum: Bibliotheksleiterin Barbara Lison-Ziessow Foto: Tristan Vankann

Keine vergleichbare bundesdeutsche Bibliothek ist noch ohne elektronische Datenverarbeitung — in Städten wie Köln oder Hamburg wird beispielsweise bereits in der zweiten EDV-Generation gearbeitet. Nur Bremen schlummert vor sich hin. Letzten Donnerstag lief nun endlich die Frist der europaweiten Ausschreibung für die EDV-Anlage der Bremer Stadtbibliothek ab.

Das beste Angebot wird den Zuschlag erhalten — „Und das hoffentlich noch in diesem Jahr, die eigentliche finanzielle Verpflichtung für unsere EDV übernimmt der Kultursenat ja erst bei Vertragsabschluß mit einer Firma.“ Bibliotheksleiterin Barbara Lison-Ziessow will erst richtig aufatmen, wenn das ganze EDV-Projekt abgeschlossen ist, und das soll laut Plan in vier Jahren sein. Ein Kultur- Haushaltsplan bis 1997 liegt jedoch in weiter Ferne.

Nach langem Hadern war in den vergangenen Wochen ein

hierhin bitte das

Portrait von der Frau

mit den mittellangen

dunklen Haaren

erster ersehnter Akzent gesetzt worden: 600.000 Mark hat die Deputation der Stadtbibliothek für die Einrichtung der EDV- Anlage in einem Extra-Posten für '94 zugesagt. Das ist aber nur ein kleiner Anteil an dem Millionenprojekt, das bereits Mitte der achtziger Jahre angedacht war. Barbara Lison-Ziessow: „Wenn der Finanzsenator uns nun die Trüpel-Millionen nimmt, heißt das, daß wir weiter ausdünnen, daß sich die Umstellung noch länger hinzieht. Am Ende können wir mit der elektronischen Erfassung unserer Bücher, die jetzt schon läuft, längst wieder von vorne anfangen. Das sind unsinnige Doppelarbeiten.“ Zumal die Stellen, die durch die EDV eingespart werden sollen, schon längst gestrichen sind. Seit 1980 hat die Bibliothek 30 Prozent ihres Personals eingebüßt.

Das sind zehneinhalb Stellen, deren Wegfall im ganzen System Löcher geschlagen und viele Bremer Errungenschaften in Bedrängnis gebracht hat. Wie im

Bereich der sogenannten sozialen Bibliotheksarbeit, in der Bremen einmal bundesweit beispielgebend war. Fünf Krankenhausbibliotheken gab es, drei davon sind übriggeblieben. Das Krankenhaus Sankt Jürgen und die Evangelische Diakonissenanstalt sahen sich außerstande, das fehlende Fachpersonal aus dem eigenen Topf zu bezahlen.

Die vorübergehend geschlossenen neun Jugend- und Schulbibliotheken sollen ab Herbst von LehrerInnen fortgeführt werden, die aus dem Schuldienst ausscheiden. Ein Zugeständnis des Senats an den Protest, der nach der Schließung laut geworden war. „Diese Umbesetzung ist bundesweit absolutes Neuland und berufspolitisch sehr problematisch“, so Lison-Ziessow. „Wir bilden die LehrerInnen momentan in einem achtwöchigen Crash-Kurs aus.“

Vieles von dem, was in den sechziger und siebziger Jahren zu Zeiten des Bremer Bibliotheksbooms neu geschaffen worden war, kann heute nicht mehr gehalten werden. Zumindest nicht mit gleich niedrigem Aufwand. Nach Abzug der Preissteigerungsrate ist nämlich der Buch-Etat von '93 mit 1,8 Millionen immer noch auf dem Stand von 1980. „Wir haben Bibliotheken, die schlimmer aussehen als Schulen, und das heißt hier in Bremen schon was“, meint die Leiterin.

Die Zentralbibliothek im Schüsselkorb und ihre 34 Außenstellen sind mit wenigen Ausnahmen ein unangemessenes Umfeld für das, was in ihnen eigentlich geschehen sollte. Längst platzt die Zentrale aus allen Nähten, von vernünftiger und zeitgemäßer Informationsvermittlung kann nicht die Rede sein; da würde eine Datenbanknutzung hinzugehören, ein großer Lesesaal mit Zeitungen und Zeitschriften, eine eigene Präsentationsfläche für den Video-Bestand, der im Aufbau ist.

Wenn die Bibliothek ihrem alten Anspruch auf Chancengleichheit nachkommen will, muß sie vor allem Minderbemittelte mit Information versorgen können. Stattdessen stehen Gebührenerhöhungen ins Haus. „Ich muß mich doch fragen: Was biete ich für die Gebühren, die ich nehme“, gibt Barbara Lison- Ziessow zu bedenken.

Dabei ist das Angebot der Stadtbibliothek bei den BremerInnen durchaus gefragt. Bestes Beispiel: Die Graphothek im Neuen Museum Weserburg, wo zeitgenössische Kunst ausgeliehen werden kann. Sie ist gleichzeitig Projekt und Plattform von geförderten Bremer KünstlerInnen, deren Werke hier einem breiten Publikum nahegebracht werden. Die Graphothek meldete letztes Jahr die höchsten Ausleihzahlen seit ihrem Bestehen 1973. Damit ist Bremen bundesweit an dritter Stelle. Silvia Plahl