Frohe Weihnachten im Hochsommer

■ Der Kritikerpreis „Spiel des Jahres“ ging an „Bluff“ von Richard Borg, doch die aus Journalisten zusammengesetzte Jury kämpft gegen Korruptionsvorwürfe

Berlin (taz) – Man nehme ein beliebtes Kneipenwürfelspiel wie „Macke“, „Schummeln“ oder „Lügen“. Man peppe es ein wenig auf und erweitere klug die Regeln. Dann braucht man nur noch das Glück, daß die Kritikerjury gerade in diesem Jahr den Trend zum Volksspiel entdeckt hat. Und schon erhält man Deutschlands profiliertesten Spielepreis, den Kritikerpreis „Spiel des Jahres“. Der gestern in Berlin bekanntgegebene Sieger war Richard Borg mit seinem Knobelspiel „Bluff“, das bei FX. Schmid erschienen ist. Der Sonderpreis für das „Schöne Spiel“ geht an Altmeister Reinhold Wittig für dessen Abenteuerspiel „Kula, Kula“, verlegt beim Berliner Newcomer Blatz Spiele, der bisher mit Benjamin-Blümchen-Hörspielkassetten sein Geld verdiente. Zum besten Kinderspiel wurde „Ringel Rangel“ gekürt.

Die Bekanntgabe dieses Preises, der in diesem Jahr zum 15. Mal verliehen wurde, bedeutet praktisch die Eröffnung des Weihnachtsgeschäftes, da die Gesellschaftsspielbranche ihre Hauptumsätze nach wie vor in der Weihnachtszeit macht, und der Bekanntheitsgrad, der Einfluß und die Qualität dieses Preises den ausgezeichneten Spielen und speziell dem Sieger einen enormen Verkaufsboom beschert. Derzeit bedeutet diese Auszeichnung – obwohl rein ideeller Natur –, folgt man der renommierten Spielezeitschrift Pöppel-Revue, ein Umsatzplus von fünf Millionen Mark.

Begleitet wird die Preisverleihung von Darstellungen der Pöppel-Revue, daß unter den Jury-Mitgliedern – ein Kreis von derzeit acht Spielekritikern und einer -kritikerin – in den letzten drei Jahren rund 200.000 Mark an Linzenzgeldern aufgeteilt worden sind, was ein eklatanter Verstoß gegen Satzung und Ziele des Vereines „Spiel des Jahres“ bedeuten würde. Hintergrund solcher Darstellungen ist die Kritik, die von Seiten des Pöppel-Revue Herausgebers und „Essener Spielemesse“ Veranstalters, Friedhelm Merz, an der Einführung von Lizenzgebühren geübt wird.

Seit drei Jahren müssen die Hersteller für die prämierten Spiele Geld berappen, wollen sie mit dem Label – ein roter Pöppel mit Lorbeerkranz und Aufschrift „Spiel des Jahres“ – des Kritikerpreises auf der Spieleschachtel werben. Und sie wollen, wenn auch zähneknirschend.

Mit dem eingespielten Geld will der Verein „Spiel des Jahres“ seine Unabhängigkeit wahren und Kosten decken, die durch die notwendig gewordene Professionalisierung entstehen: Einrichtung einer Geschäftsstelle, Finanzierung der Treuhandstelle, Öffentlichkeitsarbeit durch eine Werbeagentur, das Preisermittlungsverfahren, und die Absicherung der Arbeit des darauffolgenden Jahres.

Überschüsse sollen zum Jahresende an den „Förderverein Spiel“ gehen. Zu diesem gemeinnützigen Verein gehören neben dem Vorstand des Vereines „Spiel des Jahres“ Journalisten, die sich in ihrer Arbeit mit dem Spiel und dem Spielen befassen. Der „Förderverein Spiel“ soll mit dem ihm zur Verfügung stehendem Geld auf Antrag Projekte und Aktionen zur Förderung der Spielidee in Familie und Gesellschaft unterstützen. Kontrolliert werden soll das Ganze durch einen Beirat in dem Spielehersteller, Handel, Verbände und der Autor des letzten Hauptpreises vertreten sind. Verwaltet werden die Lizenzgebühren durch eine Treuhandstelle, ein Münchner Wirtschaftsbüro, das darauf achtet, daß die Gelder nach den Richtlinien der Gemeinnützigkeit zur Durchführung der Jury- und Vereinsarbeit verwand werden.

Das Lizenzmodell des Vereins sieht vor, daß die Gebühr sich an der Art des Preises, an der Höhe der Auflage und dem Nettopreis orientiert. Auf einer Pressekonferenz während der diesjährigen Nürnberger Spielwarenmesse hatte der Verein endlich einmal öffentlich mitgeteilt, was er in den drei Jahren eingenommen hat, um so die Spekulationen zu beenden. Seit 1990 sind jährlich zwischen 300.000 und 340.000 DM also runde 1,2 Millionen Mark in die Vereinskassen geflossen. Davon gingen durchschnittlich 60 Prozent in die Öffentlichkeitsarbeit und 20 Prozent an das Deutsche Spielearchiv in Marburg in seiner Funktion als Geschäftsstelle des Vereins. 50.000 bis 60.000 Mark seien für die Juryarbeit pro Jahr notwendig gewesen. 25.000 Mark und damit sehr viel weniger als erwartet, würden jedes Jahr an den Förderverein überwiesen, der damit im letzten Jahr ein Journalistensymposium zum Thema Spielekritik veranstaltet hatte. Dr. Bernward Thole, Sprecher der Jury, bestreitet die Darstellungen der Pöppel-Revue energisch: „Wenn da in der nächsten Ausgabe kein Widerruf erfolgt, werden alle Jurymitglieder klagen. Kein Jurymitglied hat irgendwelche Gelder aufgeteilt.“ Peter Huth