Wohnungshilfe privatisieren

■ taz mit dem senatorischen Rotstift unterwegs (5): Die Unterbringung von Asylbewerbern und Aussiedlern

Weite Teile der Abteilung Wohnungshilfe beim Amt für Soziale Dienste sollen nach Plänen der Sozialbehörde möglichst bald privatisiert werden. Derzeit verhandelt die Behörde mit der Bremischen Gesellschaft für Stadterneuerung und Wohnungsbau (Bremische) über einen Vertrag, der die Übergabe der Aufgabenbereiche Unterbringung von Aussiedlern und Asylbewerbern regeln soll. Außerdem wird das letzte städtische Übergangswohnheim für Aussiedler in Lesum an den Arbeiter-Samariter-Bund abgegeben. Bei der Wohnungshilfe, die derzeit etwa 30 MitarbeiterInnen beschäftigt, soll nur noch der Abschnitt Unterbringung nach Obdachlosen-Polizeirecht bleiben, der etwa ein Drittel der Abteilung einnimmt.

„Es hat sich gezeigt, daß Behörden für diese Aufgaben zu unflexibel sind“, erklärte der Abteilungsleiter Erwachsene beim Sozialsenator, Karl Bronke. Von 1989 an habe die Wohnungshilfe etwa 12.000 Unterbringungsplätze geschaffen, eine enorme Leistung, wie Bronke bestätigt. Aber: Für die Arbeit in der Unterbringung von Zuwanderern bedürfe es mehr „wohnungswirtschaftlichen Sachverstandes“. „Außerdem kann die Bremische günstiger Wohnraum akquirieren“, erklärte Bronke. „Wenn die Wohnungshilfe jetzt irgendwo anklopft, um Häuser anzukaufen, dann steigen sofort die Preise, weil die Leute wissen, daß wir unter Druck stehen.“

Wo Bremen durch Privatisierung bei der Unterbringung sparen kann, verdeutlicht Bronke durch ein Rechenbeispiel. Die Unterbringung eines Asylbewerbers kostet ca. 300 Mark pro Monat, entsprechen 3.600 Mark pro Jahr. Bei 1.000 Asylbewerbern, die nach dem neuen Asylverfahrensgesetz einen Asylantrag gestellt und für die Dauer des Verfahrens in Bremen Unterkunft finden, fallen danach pro Jahr Kosten in Höhe von 3,6 Mio. Mark an. „Wenn die Bremische für nur fünf Prozent weniger Kosten Wohnraum akquirieren kann, sparen wir bereits 180.000 Mark.“ Außerdem würden Einspareffekte dadurch erzielt, daß dann Akquise und Unterbringung bei der Bremischen in einer Hand liegen würden. Wenn alles so klappt, dann bekommen diejenigen Asylbewerber, die bei der Zentralen Anlaufstelle (ZAST) einen Asylantrag gestellt und nicht ins verkürzte Verfahren kommen, ihre Adressen demnächst direkt bei der ZAST.

Noch nicht abgeschlossen sind derzeit die Verhandlungen über die finanziellen Gegenleistungen für die Bremische. Die richten sich nach den Fallzahlen, nach der Personalausstattung, mit der die Bremische ihre neuen Aufgaben bewältigen will, und nach Kostensätzen. Das Personal, das derzeit in den entsprechenden Abschnitten der Abteilung Wohnunghilfe arbeitet, soll durch sog. Personalüberlassungsverträge zur Bremischen wechseln.

Das stößt natürlich nicht überall auf Gegenliebe. Wolfgang Golinski, Leiter der Wohnungshilfe: „Das Sozialressort muß seine Sparquote erfüllen, und bei uns scheint es am leichtesten zu sein.“ Golinski räumte ein, daß „das Geschäft hier nicht immer optimal gelaufen“ ist. Schuld daran sei aber vor allem die schlechte Ausstattung der Behörde. „Wir arbeiten hier noch mit Zettelkästen, wo wir eigentlich Computer brauchen. Wenn wir die haben, können wir die Aufgaben so gut erledigen wie jeder andere.“ Das Privatisierungskonzept sei überdies „an den Mitarbeitern vorbei“ entwickelt worden. „Da wird doch nur das Türschild ausgewechselt.“

Der Verhandlungspartner bei der Bremischen Gesellschaft war gestern nicht zu erreichen. Geschäftsführer Hermann Fuhse erklärte auf Anfrage, daß die Bremische allerdings per Satzung und Gesellschaftsvertrag Wohnungsbau und —verwaltung betreibe, auch in dem Sinne, wie es das Behördenkonzept vorsehe. Die Bremische verfügt über einen Wohungsfundus von ca. 7.000 eigenen Wohnungen, etwa 1.000 verwaltet sie für Bremen.

Auch künftig, so versichert Bronke, werden Unterbringungsprojekte mit den Beiräten abgesprochen. Was im einzelnen auf Bremen an Zuwanderern zukommt, ist derzeit allerdings kaum zu überblicken. Die Zahl der Aussiedler ist begrenzt: Von den limitierten 220.000 pro Jahr kommt ein Prozent nach Bremen, davon gehen wiederum 20 Prozent nach Bremerhaven. Bleiben für Bremen etwa 1.600 pro Jahr. Wie sich die Zahl der Asylbewerber entwicklen wird, ist derzeit noch unklar. In den ersten drei Wochen der neuen Asylgesetzgebung im Grundgesetz ist die Zahl der Asylbewerber um ein Drittel zurückgegangen. Ebenfalls kaum kalkulierbar ist die Zahl der Bürgerkriegsflüchtlinge.

Als Termin für die Auflösung der Abteilungen in der Wohnungshilfe sind der 1.10.1993 und der 1.1.1994 im Gespräch. Markus Daschner