Bei der Party geblieben

■ Alhadji Chief Dr. Sikiru Ayinde Barrister & Africa's International Amabassadors

Ob Religion, Pop oder Fußball: In den meisten westafrikanischen Bands wird mannschaftsdienlich gespielt. Natürlich muß es deswegen nicht an solistischen Einlagen, ausgefallenen Tänzern oder charismatischen Bandleadern wie etwa Fela Anikulapo Kuti mangeln, aber am Ende zählt nur der Stamm; die Fela umgebenden „Afrika 70“ zum Beispiel, bei denen noch 1981 gleich weitere fünf Kutis mitwirkten. Der Frontmann dient als weithin sichtbarer Luxus, den sich die Gruppen wie eine Galionsfigur in der Art eines absolutistischen Königs leisten. Er konferiert, während die Maschine aus Melodie und Rhythmus arbeitet, ob bei Fela Kuti, King Sunny Adé & The African Beats, Baaba Maal & Daande Lenol oder eben Alhadji Chief Dr. Sikiru Ayinde Barrister & Africa's International Music Ambassadors.

Entsprechend weiß sich Dr. Chief Barrister am Abend im Tempodrom von drei Sängern, 13 Percussionisten und einem Hawaiigitarrenspieler umringt, die alle gemeinsam jenen Fuji-Garbage- Sound im Fluß halten, an dem der Doc bereits 1965 laboriert hatte. Es erinnert schon mit den ersten einstimmenden Trommelschlägen an ein Ritual, bei dem einige Trommler sehr monotone Beats herunterklopfen, über denen andere, hellere Percussionsinstrumente improvisieren. In Nigeria hat sich diese Musik parallel zum Islam durchgesetzt: Die muslimischen Yoruba-Klänge sind eine Art feierlicher HipHop, der anfangs wie in Trance bei den Zeremonien und Festlichkeiten zum Ramadam gespielt wurde. Die ganze Nacht hindurch ziehen die Musiker dabei trommelnd durch die Stadt, um alle Gläubigen aus den Betten auf die Straße und zur heiligen Feier zu bewegen.

Für Barrister und seine Band ist es offensichtlich bei der Party geblieben. Die Musik zappelt ununterbrochen und will sich zu keinerlei gebetstechnischer Sammlung beruhigen. Statt dessen legt das Ambassador-Orchester noch eins drauf, wenn der Doktor singt: „It's very good to dance for ladies and gentlemen, for old and young ones, especially for students who know how to dig it.“ Dieses nicht ganz kanonische, zumindest sehr unkoranische Understatement irrt später rastlos durch fast alle Stücke, gleitet über Experimental-Beats, und findet sich auf einmal in einer Echoschleife wieder. Und zwischendrin geistert die eierige Hawaiigitarre umher. Nach kurzen Tanzanweisungen klopfen sich die Trommler allmählich an die Hypnose heran, die einzelnen Rhythmusparts werden immer länger und ausgiebiger entlang der seltsam verschrobenen Taktzählung gespielt, ein ziemlich ekstatisches Stolpern. Keyboardartige Effekte sausen durch das All, als hätte jemand die ersten drei Platten von Pink Floyd für den Dancefloor entdeckt. Doch die eigentlich melodieführenden kurzen Schläge auf den Talking Drums bremsen den Höhenflug im richtigen Moment ab und holen das Sphärengeklingel zurück auf den Boden. Abrupt, aber funky fegt dann ein Gezischel über den Beat, der unterschwellig wie eine Wasserpumpe auf der Stelle synkopiert.

Die Ausgeglichenheit zwischen Ritus und Rhythmus paßt zum Namen: Der Stil des Fuji Garbage wurde nach dem japanischen Berg der Liebe und Harmonie benannt, wobei sich die damit verbundenen religiösen und philosophischen Ideen unter der Federführung des Doc sehr lebensnah und körperbetont geben. Das Lustprinzip als Stellvertreter für das Paradies ist aber ja auch in anderen afro- und amerikanischen Musikstilen verbreitet, in jedem Hüftschwung beim Gospel oder den Stöhngeräuschen von Predigern wie Isaac Hayes und Barry White. Wie bei Barrister allerdings der Müll in den Gruppennamen gefunden hat, bleibt ein Rätsel. Harald Fricke

Alhadji Chief Dr. Sikiru Ayinde Barrister & Africa's International Ambassadors spielen noch bis Samstag jeweils ab 21.30Uhr und am Sonntag um 16Uhr im Tempodrom.