■ Das Portrait
: Leszek Balcerowicz

Will Chef der OsteuropaBank werden Foto: Keystone

Als Leszek Balcerowicz im Jahr 1989 Finanzminister und Vizepremier in der ersten nichtkommunistischen Regierung wurde, war er im Volk gänzlich unbekannt. Balcerowicz war Dozent an der „Hauptschule für Statistik und Planung“, der Kaderschmiede der polnischen Manager und Ökonomen, die heute Handelsakademie heißt. Er hatte in den USA studiert und gehörte zu einem Expertenstab, der Anfang der achtziger Jahre Vorschläge für eine Wirtschaftsreform ausgearbeitet hatte.

Balcerowicz war Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen, aber ausgetreten. 1981 beriet er die Solidarność, hielt sich jedoch im Hintergrund. Nichts sprach dafür, daß er in Polens erstem von einem Katholiken geleiteten Kabinett eine besondere Rolle spielen würde. Doch bis 1992, als er sein Ressort verließ, hatte er dem Land seinen Stempel aufgedrückt: Das Balcerowicz- Programm ist heute in Polen ein anderer Name für eine radikale, monetaristische Roßkur, die der Professor seinem Land in Zusammenarbeit mit dem IWF verordnete. Zwar ging das reale Durchschnittseinkommen um 30 Prozent zurück, und die Arbeitslosigkeit schoß auf inzwischen 14 Prozent, doch zum ersten Mal nach dem Krieg horten die Polen ihre Ersparnisse nicht mehr in Dollar, sondern tragen sie auf die Bank. Die Inflation bewegt sich um 30 Prozent jährlich (1990 waren es über 500). Nach drei Jahren Entbehrungen wächst das Bruttosozialprodukt wieder, ein Großteil der Wirtschaft ist privat, die Reallöhne steigen langsam.

Trotzdem ist der Vorwurf, Balcerowicz sei ein Dogmatiker, nicht von der Hand zu weisen: Am festen Dollarkurs, der westliche Währungen 1991 auf weniger als 20 Prozent ihres Wertes von 1990 abwertete, hielt er auch fest, als aus dem Exportboom ein Importboom wurde, erst seine Nachfolger verabschiedeten sich davon.

So umstritten seine Roßkur der sozialen Kosten wegen war, so unumstritten ist Balcerowicz im Ausland. Inzwischen ist er offizieller Berater der russischen und der ukrainischen Regierung und wieder Professor an der Handelsakademie. Er ist verheiratet, Vater von drei Kindern und begehrter Redner bei Kongressen. Jetzt bewirbt sich der 44jährige um die Attali-Nachfolge bei der „Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“. Klaus Bachmann