■ Bundeskanzler Helmut Kohl zog's gestern zur GSG 9
: Wohin ihn seine Füße tragen ...

Politik wird mit dem Kopf gemacht? Nein, nicht doch. Helmut Grökaz zeigt uns mit Erfolg seit elf Jahren, daß sie eine Angelegenheit für Schenkel und Arsch ist. Er begeht, mal Schritte in die richtige Richtung, mal Anlässe, er sitzt aus, setzt sich durch, begibt sich auf den Wachstumspfad (blühende Landschaften), stellt fest, daß „Befruchtung keine Sackgasse“ sei ... Ach, alle Witze über diese Politik von Stuhl und Gang wurden schon gemacht. Das Lachen steckt nicht mehr im Halse, hat uns – „Wichtig ist, was hinten rauskommt“ – brausend schon längst verlassen, und der Unbeirrbare geht unbeirrbar seinen Weg, stapft von Anlaß zu Ereignis, wie einst Willem zwo (aber über den wurde wenigstens gelacht).

Nun ist sehr wichtig, wohin sich die Säulen bewegen, auf denen unser Staat ruht. Anno 84 zum Beispiel nicht in die Normandie („Es ist für einen deutschen Bundeskanzler kein Grund zum Feiern, wenn andere ihren Sieg in einer Schlacht begehen“), aber nach Verdun. Auch die Brücke von Thorgau wurde nicht belatscht, sondern muß weg („Sie ist kein Zeuge unserer eigentlichen Geschichte“). Sie tragen nicht nach Mölln oder Solingen („Was soll der deutsche Kanzler bei einem solchen Anlaß?“), dafür aber ...

Aus dem Marschprogramm dieser Woche: Dienstag samt Freund François nach Wilflingen. Wohin bitte? Zu Ernst Jünger, dem intellektuellen Totengräber der Weimarer Republik, dem nie etwas in seiner wüsten Geschichte leid getan hat. Über die habe man auch nicht gesprochen, heißt es, nur über Literatur, und außerdem ist der 20. Juli auch ein schönes Datum für solche Visiten (Lenz oder Grass, nein danke).

Am Mittwoch nach Potsdam, natürlich in eine Kaserne. Von wegen Genius loci (derweil mußte Rühe die Urenkel Lettow-Vorbecks verabschieden). Und gestern zog's ihn zur GSG 9. Klar: „In letzter Zeit wurde über Sie viel Übles gesagt. Ich bin gekommen, Ihnen zur Seite zu stehen.“ Schön so. Ein bißchen „Aufklärung“ müsse allerdings auch sein, murmelte er noch. Der Mann versteht sein Geschäft und kann sich ja auch bei französischen Kriegsgräbern sein Kanzlerlächeln verkneifen.

Wir aber, die Kohl nur schwerlich beim Denken ertappen, hängen nun an seinen Füßen. Wohin werden sie uns tragen? Zunächst wohl an den Wolfgangsee, aber dann? Zu den ersten Kriegsgräbern der BRD? Das wäre unseres Kanzlers wohl unwürdig und würde auch nicht der vorgegebenen Richtung entsprechen. „Geschichte muß man begehen.“ Einige morsche Knochen zittern schon freudig in Erwartung von Helmuts festem Schritt und Tritt. Die Richtung fürchten wir zu kennen. Hans-Georg Behr

Freier Autor in Hamburg