Bohl statt Kohl für die Kali-Kumpel

Unversöhnliche Standpunkte beim Besuch der Bischofferoder im Bonner Kanzleramt / Hungerstreikaktionen in anderen Betrieben möglich  ■ Von Tissy Bruns und Klaus-Peter Klingelschmitt

Bonn/Frankfurt (taz) – Statt Kohl nur Bohl, statt neuer Angebote die alten Standpunkte. Nach mehrstündigen Gesprächen im Kanzleramt über die Zukunft des Kalibergwerks in Bischofferode zeichnete sich gestern keine Bewegung ab.

Als die Vertreter der Belegschaft – seit Tagen befinden sich 35 Kumpel und fünf Frauen im Hungerstreik – gestern ins Kanzleramt gingen, erwartete sie nicht der Bundeskanzler, sondern Kanzleramtsminsier Friedrich Bohl und der wiederum ausdrücklich nicht als Verhandlungspartner, sondern als Moderator eines Gesprächs zwischen Treuhand und den Bischofferodern. Der Betriebsratsvorsitzende Heiner Brodhun hatte sich mehr erhofft. Das Angebot von befristeten Übergangsarbeitsplätzen sei in Wirklichkeit keines, weil diese Abrbeistplätze bald wieder abgeschafft würden, sagte Brodhun vor Beginn des Gesprächs. Sein Stellvertreter Gerhard Jüttemann wiederholte, es sei wesentlich billiger, den Betrieb fortzuführen als ihn zu schließen.

Die Belegschaftsvertreter haben sich im Kanzleramt erneut für den Plan eines westdeutschen Unternehmers zur Privatisierung eingesetzt, berichtete Regierungssprecher Dieter Vogel in einer Gesprächspause. Von der Treuhand sei dies abgelehnt worden, die Treuhandvertreter seien dabei geblieben, daß die Grube zum Jahresende geschlossen werden müsse. Vogel betonte, daß im Kanzleramt keine zweite Verhandlungsrunde stattfände und die Bundesregierung nur die Rolle des Moderats habe.

Nach einem Bericht der Wirtschaftswoche drohen jetzt auch andere ostdeutsche Belegschaften mit Betriebsbesetzungen und Hungerstreiks. Mit Hungern als letzter Waffe wollen nach Auskunft des Dessauer IG Metall- Chefs Schorer die 350 Beschäftigten der Roßlauer Schiffahrt GmbH die im Juni von der Treuhand beschlossene Liquidation verhindern. Auch die Arbeiter der ebenfalls von der Schließung bedrohten Maschinenbaufirma Sega Orbis Wilischthal GmbH sehen im Hungerstreik ihre letzte Hoffnung.

Die Belegschaft der Deutschen Kugellagerfabrik (DKF) im thüringischen Zella-Mehlis behielt unterdessen gestern ihren Betrieb besetzt. Mit der Aktion wollen die 450 Beschäftigten gegen die drohende Schließung des Betriebes und Entlassungen in vier ostdeutschen DKF-Fabriken protestieren.

Kali-Grube als Sondermülldeponie?

Der Sprecher der thüringischen Landesregierung, Kaiser, bezeichnete gestern gegenüber der taz eine Presserklärung von Bündnis 90/Die Grünen in Thüringen und Hessen als „völliger Quatsch“, wonach in den Stollen der Kaligrube Bischofferode in Zukunft Sondermüll deponiert werden solle. In Bischofferode, so Kaiser, sollen die ArbeitnehmerInnen „nach einer Klärung der Verhältnisse durch die anstehende EG-Entscheidung“ bis 1995 mit „Rekultivierungsarbeiten“ – sprich Abbrucharbeiten – beschäftigt werden.

Bündnis 90/Die Grünen halten allerdings weiter an ihrer These fest, wonach aus dem Kalibergwerk eine Sondermülldeponie werden solle. Dafür sei sowohl die strikte Ablehnung des Investors Peine durch die Treuhand ein Beleg, als auch der Umstand, daß bereits feststehe, daß die Kaligrube in Sonderhausen demnächst mit dioxin- und furanhaltigen Filterstäuben aus Hamm verfüllt werde.