Fücks unter Beschuß: „Ihr habt resigniert“

■ Diskussion um Kunststoffabfall für Klöckners Hochofen: Grüner Umweltsenator bekommt Druck von den Verbänden

„Auch ich gehöre der 68er- Generation an“, sagte Klöckner-Vorstandsmitglied Dr. Hans-Ulrich Lindenberg am späten Donnerstag nachmittag im Ansgaritor-Saal. Doch das schien dann auch schon die einzige Gemeinsamkeit wenigstens mit den älteren VertreterInnen der Bremer Umweltschutzverbände zu sein. Umweltsenator Ralf Fücks (Bündnis 90/Die Grünen) hatte zur Diskussion geladen. Thema: Klöckners Idee, Kunststoffabfälle im Hochofen als Reduktionsmittel bei der Erzeugung von Eisen einzusetzen.

Die drei Parteien schenkten sich nichts. Von einer „heimlichen Subventionierung der Hütte“ sprach Peter Ullrich von der Initiative „Bürger kontrollieren den Grünen Punkt“. Erst müsse der Bürger für getrennte Sammlung und Wiederverwertung bezahlen, jetzt solle der Kunststoff in den Hochofen wandern und die Hütte auch noch eine Entsorgungsgebühr kassieren, wer solle das noch einsehen? Lindenberg hielt dagegen: „Jedes Jahr wird die deutsche Kohle mit 15 Mrd. Mark subventioniert, wir zahlen dadurch pro Jahr 80 Mio. Mark mehr, dafür regen Sie sich nicht auf.“ Und Fücks irgendwie dazwischen: „Man kann den Klöckneranern nicht vorwerfen, daß sie betriebswirtschaftlich denken.“

Rund 20 Minuten hatten die Klöckneraner vorher Zeit gehabt, ihr Verfahren vorzustellen. Im Hochofen wird dem sauerstoffhaltigen Eisenerz mit Reduktionsmitteln der Sauerstoff entzogen. Bislang nimmt Klöckner dazu Koks und Schweröl, das Schweröl soll anteilig durch Kunststoffabfall ersetzt werden. Der Antrag beim Gewerbeaufsichtsamt ist eingereicht, aber noch nicht entschieden. Bis zum 30.8.94, so der Antrag, sollen täglich bis maximal 50 Tonnen Kunststoff in den Hochofen geblasen werden. Umweltsenator Fücks ist hin- und hergerissen: „Ressourcenpolitisch ist das sinnvoll, emissionstechnisch auch, abfallpolitisch aber höchst bedenklich: Der Druck auf die Vermeidung von Kunststoffabfall ist weg. Das ist höchst gefährlich.“

Heftige Proteste von den Initiativen. Peter Ullrich: „Der Kunststoff hat, bevor er im Abfall landet, schon nach der Produktion mehrere Tonnen Schweröl hinter sich.“ Peter Willers von der Aktionskonferenz Nordsee: „Wenn das genehmigt wird, ist das ein Dammbruch. Großverfeurerungsanlagen werden wegen Bürgerprotests nicht mehr genehmigt, jetzt versucht man, in kleinen Schritten normale Industrieanlagen für die Verbrennung zu nutzen.“ Bernd Langer vom Bund für Umwelt- und Naturschutz: „Ihr fallt sämtlichen Politikern, die das Duale System ökologisieren wollen, in den Rücken.“ Fücks dagegen: „Der Kunststoff, um den es hier geht, ist schon produziert.“ Klöckner versuche, aus der Krise eine neue Linie zu entwickeln.

Dann stand das Genehmigungsverfahren im Zentrum der Diskussion. Das Gewerbeaufsichtsamt prüft einen Änderungsantrag für den Hochofen, weil Schweröl gegen Kunststoff getauscht werden soll. Genehmigt wird nach dem Bundesimissionschutz-Gesetz. „Wir haben da wenig Spielraum und müssen genehmigen“, erklärte Fücks, die politische Debatte, die der Antrag ausgelöst habe, sei „nicht genehmigungsrelevant“. Öffentlich ausgelegt müssen die Unterlagen nicht werden, weil das Gewerbeaufsichtsamt (GAA) derzeit davon ausgeht, daß „keinerlei Benachteiligungen von der Anlage ausgehen“, erklärte Klaus Finke, zuständig für Immissionsschutz beim GAA. Irgendjemand schlug vor, daß man für den Modellversuch einen ganz neuen Antrag für den Betrieb des Hochofens stellen muß. „Das werden wir prüfen“, versicherte Umweltstaatsrat Dr. Uwe Lahl. Vor einer Entscheidung werden die betroffenen Beiräte noch gehört.

Schließlich die Frage: Ist das eigentlich Rohstoff oder Abfall, der da in den Hochofen wandern soll? Uwe Lahl: „Wenn es Rohstoff-Recycling gibt, dann ist dieses Verfahren Rohstoff-Recycling.“ Peter Ullrich: „Das ist das Ende der ökologischen Betrachtung von Wertstoffen.“ Bei den Umweltverbänden hielt sich unisono der Argwohn, daß „Reduktion“ nur ein etwas eleganteres Wort für Verbrennung ist und im Hochofen so eine Art Etikettenschwindel abläuft. Bernd Langer: „Wo ist eigentlich der Unterschied zur Müllverbrennungsanlage?“ Lahl: „Im Nutzungsgrad. Bei einer modernen MVA werden 30-35% genutzt, beim Klöckner-Verfahren über 50%.“ Klöckner-Sprecher Dr. Günter Ziegenbalg: „Das Gichtgas, das nach der Reduktion entsteht, wird vollständig aufgefangen und wiederverwertet, der Staub, der sich bildet, wird mehrmals gewaschen.“

„Es bleibt etwas, mit dem wir uns herumquälen“, resümierte Fücks nach gut zwei Stunden - die Umweltverbände waren da immer noch gegen den Senator auf Krawall gebürstet: „Ihr habt resigniert und versäumt, Euch in dieser Frage die Umweltverbände als Bündnispartner zu suchen. Ihr habt aufgegeben“, erklärte Peter Willers. mad