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Totaler Stellenstop an der Hamburger Uni?

■ Hochschul-Präsident Jürgen Lüthje: „Ich weigere mich, das zu entscheiden“

Die Misere ist bekannt: die Stadtkassen sind leer, da sollen alle Behörden sparen, auch die Hamburger Uni. Nur, was in diesem Herbst von der Hochschule verlangt wird, sei schlicht nicht umzusetzten, sagt Uni-Präsident Jürgen Lüthje. Er fordert vom Senat, die Sparauflage beim Personal von 17 Millionen Mark auf 14 Millionen zu senken. Andernfalls sei der Lehrbetrieb in Gefahr.

Zum Hintergrund: Seit 13 Jahren muß die Uni freie Stellen für drei Monate vakant halten, um Geld zu sparen. Zuletzt waren deshalb sechs Prozent der Planstellen nicht besetzt, 1993 sollte die Uni so 15,5 Millionen Mark erwirtschaften. Doch im Mai erhöhte Finanzsenator Curilla die Vakanzrate noch einmal auf sieben Prozent. „Ungerecht“, sagt Lüthje. Kultur-, Bau-, Umwelt- und Finanzbehörde müssen nur drei Prozent sparen, Schulen , Polizei und Justiz gar nichts.

Doch selbst wenn die Personalplaner an der Uni es wollten, im ersten Halbjahr 93 wurden nicht mal genug Stellen frei, um das ursprüngliche Plansoll zu erfüllen. Bereits im April, so Lüthje zur taz, habe man deshalb die Stellenbewirtschaftung erheblich verschärft. Pensionierte Professoren wurden nicht mehr vertreten, die Sperrfrist für Doktorandenstellen auf sechs Monate verlängert. Nach einem Gespräch mit Wissenschaftssenator Hajen im Juli kam man schließlich überein, bis zum 1. September einen vorläufigen Stellenstop zu verhängen und unterdessen bei den 18 Fachbereichen abzufragen, welche Stellen bis Jahresende noch freiwerden. Das Ergebnis der Umfrage ist niederschmetternd: nur wenn es eine totale Wiederbesetzungssperre bis Jahresende geben würde, könnte die Uni 16,1 Millionen Mark einsparen (900.000 weniger als verlangt). Allerdings sieht sich Lüthje außerstande, dann die Verantwortung für das Lehrangebot zu übernehmen. Lüthje zur taz: „Ich werde mich weigern, eine solche Entscheidung zu treffen. Wenn der Senat es verantworten will, soll er es tun.“

Da bis zu 25 Prozent der Doktoranden- und Assistentenstellen gesperrt wären, würde vor allem die Lehre leiden. AGs in Jura und Wirtschaftswisssenschaft müßten entfallen, für Praktika in Chemie, Biologie und Physik fehlt die nötige Aufsicht. Auch die Fachbereiche Geschichte, Philosophie und Sozialwissenschaft könnten das Pflichtlehrprogramm nicht erteilen. In einem Brief, den Lüthje an Hajen geschrieben hat, ist deshalb eine Liste enhalten - Stellen im Umfang von 1,5 Millionen Mark, die unbedingt besetzt werden müßten.

Am liebsten würde der Uni-Chef das Thema Vakanzrate ein für allemal vom Tisch bekommen. „Auf Dauer kann man damit einfach nicht arbeiten“, sagt Lüthje. Da die vakanten Stellen bei der Vergabe von Studienplätzen voll angerechnet werden, müsse man davon sprechen, „daß die Studienbedingungen in Hamburg zehn bis 15 Prozent schlechter sind als im übrigen Bundesgebiet.“ Kaija Kutter

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