„Tut uns leid, aber es geht nicht anders“

■ taz-Gespräch mit Sozialsenatorin Irmgard Gaertner (SPD) über die Probleme um das Asylschiff

taz: Halten Sie den Wunsch der Asylsuchenden, in einem festen Haus zu wohnen und für sich selbst kochen zu können, für unberechtigt?

Sozialsenatorin Irmgard Gaertner: Natürlich ist es angenehmer, Sozialhilfe auf die Hand statt Sachleistungen zu bekommen. Ich kann das verstehen. Aber erstens — das ist natürlich ein schwaches Argument — sind wir an das Gesetz gebunden. Mit der Umsetzung des Asylbewerber-Leistungsgesetzes zum 1. November werden Asylbewerber innerhalb der ersten zwölf Monate Sachleistungen erhalten und ein Taschengeld. So verlangt es das Gesetz. Ich halte es zweitens aber auch für in Ordnung, daß die Menschen in der ersten Zeit, wo sie auf die Entscheidung über ihre Asylanträge warten, Sachleistungen bekommen. Das Ärgernis steckt darin, daß sich diese Entscheidung oft endlos hinzieht. Ich halte es nicht für richtig, daß Asylbwerber dann immer noch Sachleistungen bekommen.

Sachleistungen und Massenunterbringung sind von der CDU- FDP-Koalition gewollt. Sehen Sie als SPD-Senatorin gar keinen Spielraum bei der Umsetzung?

Nach den zwölf Monaten mit Sachleistungen sollen in Bremen alle bisherigen Unterbringungseinrichtungen genutzt werden. Das heißt, daß länger hier lebende Flüchtlinge, insbesondere Familien oder Frauen mit Kindern, dezentral und möglichst in Wohnungen untergebracht werden. Die „Bremer Linie“ der Versorgung mit Wohnraum soll also soweit wie möglich aufrecht erhalten werden. Immerhin sind von den 8.000 Asylbewerbern fast 6.000 in Wohnungen untergebracht, rund 1.400 leben in Hotels und Pensionen. Weitere etwa 1.000 Plätze haben wir in Unterkünften mit Gemeinschaftsverpflegung, also in der ZAST, dem Wohnschiff und zwei weiteren Einrichtungen.

Es gibt aber in der Peenemünder Straße einige Männer, die schon länger als zwölf Monate hier sind und trotzdem noch aufs Schiff umziehen sollen.

Es ist richtig, daß da ein paar Leute sind, die so lange hier sind. Ich halte es aber für gerechtfertigt, daß man dann den 80 Männern sagt: Tut uns leid, aber es

Schwimmende Unterkunft im Kohlenhafen „besser als manches Hotel“Foto: Christoph Holzapel

geht nicht anders; und Ihr wohnt in jedem Falle besser auf dem Wohnschiff. Einer Familie mit Kindern würde ich das natürlich nicht zumuten.

Wenn sich die Flüchtlinge trotz aller Bescheide weiterhin weigern umzuziehen — wie lange wollen Sie sich das, von rechts her gefragt, noch bieten lassen?

Wir wollen versuchen, eine Lösung im Dialog zu finden. Mir paßt es nicht, Menschen mit Zwang von einem Ort zum anderen zu bringen. Ich hoffe immer noch auf den Sieg der Vernunft.

Es rufen ja nun jeden Tag viele Leute bei Ihrer Behörde an, die empört sind, daß man die Asylbewerber nicht längst auf das Schiff gebracht hat und die sogar von „Ab nach Auschwitz“ reden. Was anwortet man denen?

Wir sagen ihnen, daß wir uns auch im Umgang mit Asylbewerbern und Flüchtlingen rechtsstaatlicher Mittel bedienen. Das heißt zum Beispiel, daß wir uns bemühen, Konflikte möglichst in Gesprächen auszutragen.

Wäre es nicht längst an der Zeit gewesen — wenn jetzt eben der Volkszorn so kocht — daß Sie offensiv an die große Öffentlichkeit gehen und sich vor die Asylbewerber stellen?

Ihre Frage ist berechtigt. Aber in das Horn des Anti-Rassismus- Büros hineinzututen, entspricht erstens nicht meiner Überzeugung und würde zweitens genau

hier bitte das Foto

von dem Zaun und den

Fenstern

das Gegenteil von dem bewirken, was Sie vermuten. Spontane ausländerfeindliche Reaktionen können Sie nicht dadurch abstellen, daß da eine Senatorin sagt, das ist alles in Ordnung, was die Asylbewerber da machen.

Bislang sind jeden Monat 400 AsylbewerberInnen nach Bremen gekommen — seit dem verschärften Asylgesetz sollen es wesentlich weniger sein. Braucht man das Schiff überhaupt noch?

Statt 400 kommen derzeit nur noch 200 Personen pro Monat. Alle Fachleute sind sich aber darüber einig, daß die zurückgegangenen Zahlen der vergangenen Monate noch nicht für eine Prognose taugen. Außerdem haben sich die Ursachen für die Zuwanderung ja nicht verändert.

Nun hat man sich aber doch mit den Grünen und der SPD- Basis geeinigt, im Herbst nochmal ganz neu über das Schiff zu entscheiden. Was werden Sie denn dann sagen?

Sie wissen, daß wir die Bunker leergemacht haben — Gottseidank. Sie wissen, daß wir die Turnhalle leergemacht haben — Gottseidank. Wir denken jetzt darüber nach, wie wir weitere schlechte Unterbringungen beseitigen können. Wir haben das Schiff im Moment in Reserve, wir haben es auf fünf Jahre gechartert. Aber eine Entscheidung soll ja auch über den Standort fallen. Im Moment liegt das Schiff in Os

lebshausen, möglicherweise wird es später in der Weser liegen.

Das Schiff ist Ihrer Meinung nach besser als manches Hotel?

Aber selbstverständlich.

Also wird es das Schiff voraussichtlich die vollen fünf Jahre geben?

Davon gehe ich aus.

Sie haben ja viel Ärger bekommen wegen der Entscheidung für das Schiff, zum Beispiel mit der SPD-Basis. Würden Sie heute wieder genauso entscheiden?

Ich würde mich nach wie vor für das Schiff entscheiden — allerdings ist die Entscheidung für das Schiff nicht primär die Entscheidung der zuständigen Senatorin gewesen, sondern Politik hat gesagt: Wir schaffen es nicht mehr, die Bereitschaft in den einzelnen Stadtteilen dafür zu bekommen, Wohnungen für diese Menschen zu beschaffen.

Aus diesem Nachdenken ist die Idee mit dem Schiff erwachsen. Verwaltung hat den Auftrag bekommen, sich um ein Schiff zu kümmern und hat diesen Auftrag ausgeführt. Und als es dann soweit war, war Verwaltung schuld, daß überhaupt ein Schiff hergekommen ist. Eine Unterkunft wie das Schiff ist immer die zweitbeste Lösung. Aber es ist eine tausendmal bessere Lösung als vieles andere, was wir in der Vergangenheit praktiziert haben. Fragen: Christine Holch