Zufrieden, schlank und gesund Von Ralf Sotscheck

Schon wieder eine Halluzination: Über den Computer-Bildschirm zieht langsam eine brennende Kippe. Ich kann den Rauch beinahe riechen, springe auf und haste durch die Wohnung. Unweigerlich endet mein Lauf vor dem Schubkasten mit den Gummibärchen. Nachdem ich ein Viertelpfund in mich hineingestopft habe, kann ich wieder klar denken und verfluche den Hypnotiseur, dessen Stimme mir noch höhnisch im Ohr gellt: „Sie fühlen sich wohl, essen mäßig und bleiben schlank und gesund.“ In Wirklichkeit bin ich längst fett wie ein ägyptischer Tempelkater.

Es hatte mit dem Entschluß angefangen, die Zigaretten an den Nagel zu hängen: von fuffzich auf null mit Hilfe von Hypnose. Der Hypnotiseur war höchst unsympathisch. Er schubste mich in einen weichen Ohrensessel, schloß die Vorhänge und schlurfte zu seinem Schreibtisch. War ich etwa schon hypnotisiert? Der Raum drehte sich, während der Hypnotiseur wie ein Raubvogel auf der Stuhllehne hockte. Gleich würde er um den Kronleuchter kreisen, um sich dann im Sturzflug auf meine Jackentasche zu stürzen, in der ich eine Notkippe deponiert hatte. Doch er erklärte mir lediglich, ich müsse kapieren, daß Nichtrauchen ein Vergnügen sei. Dazu sollte ich mir mein nikotinloses Leben vorstellen: stets „zufrieden, schlank und gesund“.

Es ging nicht. Ich existierte in meiner Phantasie gar nicht ohne Kippe, sie war bei mir zwischen Mittel- und Zeigefinger festgeschweißt. Zu guter Letzt drückte mir der Hypnotiseur, der sich inzwischen endgültig in einen Geier verwandelt hatte, eine Kassette in die Hand, die ich mir jeden Tag mehrmals anhören sollte – am besten per Walkman gleich auf dem Nachhauseweg. „...zufrieden, schlank und gesund“, so hypnoflashbackte es aus dem Kopfhörer, bevor die Kassette von einem Lastwagen überrollt wurde.

Da die Hypnose ihre Wirkung völlig verfehlt hatte, wurde der erste rauchlose Abend zur Hölle. Erschwerend kam hinzu, daß plötzlich sämtliche Verwandte und Freunde Streit mit mir suchten, bis mich einer von ihnen schließlich zur Nachtapotheke schleppte und mir ein Nikotinpflaster auf den Arm klebte, das den Körper für 24 angenehme Stunden durch die Haut ständig mit Gift versorgte. Seitdem verließ ich das Haus nicht mehr ohne Ersatzpflaster. Nach drei Monaten hatte das Verlangen nach einer Zigarette nachgelassen. Dafür war ich inzwischen von den Pflastern völlig abhängig und begann, die geröteten Hautstellen unter langärmligen Pullovern zu verbergen. Dennoch war ich zufrieden, schlank und gesund, bis die Apothekerin eines entsetzlichen Abends bedauernd verkündete, daß die Pflaster ab sofort rezeptpflichtig seien. Dafür würde mir kein Arzt nachts um elf freiwillig ein Rezept ausstellen. Der Ernst der Lage wurde mir erst klar, als die Apothekerin die blaue Packung in den Schrank schloß und mir hämisch einen Kaugummi anbot.

Ich blieb drei Tage im Bett. Seitdem esse ich. Demnächst werde ich wieder den Hypnotiseur aufsuchen und mich in seinen Ohrensessel plumpsen lassen, der unter meinem Gewicht zusammenbrechen wird. Dann werde ich rufen: „Zufrieden, schlank und gesund, hä?“