Gemütlicher Behördenschlaf auf Hamburger Künstlernerven

■ Vier Monate nach der „dringenden“ Bedarfsräumung des Künstlerhauses in der Thedeschule steht dieses immer noch leer

„Entweder wurden wir belogen, oder die Politiker wußten nicht, was sie tun.“ Jaakov Blumas ist sauer. Im März mußten er und ein knappes Dutzend andere Künstler kurzfristig ihre Ateliers in der Altonaer Thedestraße räumen. In das Gebäude solle dringend wieder die benachbarte Schule Chemnitzstraße einziehen, hatten die Politiker den Rauswurf begründet. Nun hat das Schuljahr begonnen, die Thedeschule aber steht immer noch leer. Nicht einmal Bauarbeiten haben inzwischen stattgefunden.

Damals wurden den Künstlern von der Kulturbehörde Ersatzräume im gerade neu begründeten Atelierkomplex in der Stresemannstraße angeboten. Sieben von ihnen nahmen das Angebot an und zogen in die eiligst renovierten Ateliers. Die Räume seien zwar grundsätzlich geeignet, sagt der dorthin umgezogene Maler Peter Heber, jedoch seien sie niedriger und die Türöffnungen für größere Arbeiten zu klein. Zudem wird die Arbeit durch Lärm und Dreck gestört, denn rund um die sieben fertigen Ateliers herum wird gebaut. Diese Renovierung wird voraussichtlich noch bis April 1994 andauern, wie Rüdiger Dohrendorf, Pressesprecher des Generalmieters des Stresemannkomplexes, der Hamburger Gesellschaft für Gewerberaum, mitteilte.

In der Thedeschule ist dagegen seit über vier Monaten nichts passiert. Der zuständige Sachbearbeiter in der Schulbehörde, Klaus Oyss, begründet den Leerstand mit Planungsnotwendigkeiten: „Für eine Ausschreibung ist die Inaugenscheinnahme notwendig. Ein Belassen der Künstler im Gebäude hätte dies erschwert.“ Jetzt müssen aber wohl endlich genug Blicke geworfen worden sein, denn laut Oyss steht der Beginn der Bauarbeiten „unmittelbar bevor“. Zu sehen ist davon allerdings bis heute noch nichts.

Peter Heber kann nicht verstehen, warum er sein Atelier in der Thedeschule im April unter Zeitdruck hat räumen müssen und ein weiterer Aufschub nicht gewährt wurde. „Zumindest hätte uns der Umzugsstreß erspart werden können“, meint er. Die „hervorragende Ateliergemeinschaft“ von Designern, Architekten und Künstlern unter dem Dach der Thedeschule sei so auch unnötig früh zerstört worden.

„Für die Kultur im Stadtteil ist ein riesiger Verlust entstanden, eingeplant als Gewinn für die Schulsituation“, so Heber weiter. „Daß dann so lange überhaupt nichts passiert ist, ist bedenkenswert.“ Gerüchte, nach denen auch das in einem Nebengebäude der Thedeschule untergebrachte Tanzhaus demnächst ausziehen müßte, weist Klaus Oyss zurück: „Die Schule mißt dem Tanzhaus hohe Bedeutung zu. Eine Räumung ist nicht beabsichtigt.“

Hoffentlich ist dieser Planungsstand genauer als der vom letzten April über den Rückbau der Atelierräume in Klassenräume.

Werner Hinzpeter