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: In seinem Element

„Schimpf 19 7 17“, Dienstag, ARD, 16.03 Uhr

Vor der Sendung: Björn Hergen Schimpf schreitet das Studio ab. Er geht zum Kaffeetischchen, hebt eine Tasse, stellt sie wieder hin, geht hinüber zum überdimensionalen Funktelefon, das neben einer Wand aus Glasbausteinen aufgestellt ist, und fläzt sich schließlich an den Schreibtisch, eine Art Bumerang mit aufgewölbten Kanten. Währenddessen laufen die Telefone schon heiß, genau 109 Anrufer werden es heute. Rund 25 Minuten lang können sie live und ungeschnitten mit ihm über alles reden, was ihnen am Herzen liegt. Anders als bei Hans Meiser oder Ilona Christen, wo man ohnmächtig zuschaut, wie mit Gewalt versucht wird, Klischees und Vorurteile mit der Realität in Einklang zu bringen. Nein, dem Schimpf kann man vom Sofa aus die Meinung sagen. Die Redaktion trifft eine Vorauswahl, Schimpf wählt noch einmal, mittels Display auf dem Telefon. „Tarzan“ steht dort als ein erstes Stichwort. Und tatsächlich, Lotti aus Köln will wissen, wieso Tarzan immer so rasiert und frisiert aussieht, das könne doch nicht sein, so mitten im Urwald. Schimpf kontert: Würde er sich nicht rasieren, sähe er aus wie ich (Schimpf): „Wollen Sie das?“ Will sie nicht.

Schimpf bleibt gelassen und kalauert, seine Prämisse ist Freundlichkeit. Er will niemanden vor den Kopf stoßen, vor allem nicht die Millionen Hausfrauen, Rentner, Arbeitslose, die man sich als Zielgruppe vorstellt, allein zu Hause und redebedürftig. Ein Lebenshilfeonkel will er nicht sein, dennoch bietet er in seiner Harmlosigkeit einen vermeintlichen Balsam, eine wohltuende Vereinfachung der Dinge. Aber solche Anruferschonung, sicher aus Angst, daß keiner mehr seine Nummer wählt, ist nun mal nicht sonderlich unterhaltsam. Das Hauptproblem von „Schimpf 19 7 17“: Es ist vor allem eine Radio-Sendeform, die nun im ARD-Fernsehen oben genannten RTL- Nachmittags-Plaudertaschen alle 14 Tage (!) das Wasser abgraben soll. Besonders im Optischen macht sich das bemerkbar – nichts als Schimpf und ein wenig ockerfarbene Deko. Schimpf aber, der frühere Radiomoderator, ist spürbar in seinem Element, anders als in der Samstagabendshow. Sendungen wie diese, das müßte er wissen, hatten allerdings auch im Radio immer nur mit genügend Biß Erfolg. Oliver Rahayel