piwik no script img

Flugblätter statt Krawalle

Die Presse in Monaco zeigte sich am Mittwoch abend um die Versprechungen der Berliner Polizei über die NOlympioniken betrogen / Große Empörung über den Polizeieinsatz  ■ Aus Monte Carlo Uwe Rada

In jedem Café, in jedem Kiosk hängt das Bild. Rainer und Albert are watching you. Und tatsächlich entgeht der surité nichts im Fürstentum der Grimaldis. Die Straßen sind videoüberwacht, und selbst bei einem Kneipenstreit gilt bei der Polizei im Zweifelsfall die Devise, erst drauf und weg mit den Bösewichtern, der Rest wird später geklärt.

„Mit Monaco hat sich das IOC den richtigen Ort ausgesucht“, meinte ein Berliner Olympiagegner bereits am Wochenende. Wenig später wurde er verhaftet und abgeschoben. Insgesamt 35 BerlinerInnen, die für die Dauer des Spektakels im sicheren Italien Quartier bezogen hatten, dürfen monegassischen Boden nun nicht mehr betreten, es sei denn, sie sind wild darauf, für drei Monate ins Gefängnis zu gehen. So jedenfalls lautete die Drohung der Behörden, die nicht ohne den Hinweis überbracht wurde, man möge sich doch beim Fürsten persönlich beschweren.

Von den deutschen Medien und vor allem der Berliner Polizei immer wieder als Gewalttäter avisiert, zeigten sich die Olympiagegner nach den sieben Verhaftungen vom Samstag und Sonntag gegenüber der Presse darum bemüht, die Gründe ihrer Anwesenheit und nicht jene selbst zum Thema zu machen. Man wehre sich gegen den Versuch, jegliche Form des Protestes zu kriminalisieren, heißt es in einer Presseerklärung unmißverständlich zur illegalen Weitergabe personenbezogener Daten durch die Berliner Polizei.

Doch allzuviel Gehör fanden sie damit nicht. Die Presse wollte keine argumentierenden Gegner, sondern getreu den Horrorvisionen aus Berlin Krach und Krawall. Um so erstaunter zeigten sich dann die Medienvertreter beim großen Showdown der NOlympics am Mittwoch abend: „Die hätte ich in der Menge nicht erkannt“, schüttelte ein Fotojournalist, der offenbar grüne Haare und Lederjacken erwartet hatte, ungläubig den Kopf. Das harte Vorgehen der französischen und monegassischen Polizei rief dann auch bei hartgesottenen Journalisten Empörung hervor. „Hast du gesehen, wie der Mann im gelben T-Shirt dem Gegner die Faust ins Gesicht schlug?“ wunderte sich selbst der Reporter einer konservativen deutschen Zeitung.

Spätestens im Fernsehen und im Radio war das Bild dann wieder geradegerückt. Polizisten, die Demonstranten jagen, vermitteln allemal den Eindruck, letztere hätten es verdient. Nur die Berliner Polizei dürfte sich an jenem Abend gefragt haben, ob ihr Übereifer der Berliner Bewerbung nicht einen Bärendienst erwiesen habe. Eigentlich war man ja angetreten, die größte Straßenschlacht, die Monaco je gesehen hat, wie in einigen Medien berichtet, zu verhindern — auch wenn es sich dabei für Berliner Verhältnisse nur um ein Gerangel gehandelt hatte.

Die Olympiagegner wird's freuen. Das Wuchern mit dem einzigen Pfund, das man hatte, der Medienöffentlichkeit, ist zumindest an diesem Mittwoch abend aufgegangen. Am Donnerstag schließlich, nachdem die meisten von ihnen in der Nacht irgendwo in Frankreich abgesetzt wurden, blieb ihnen auch nichts mehr übrig, als sich auszuruhen, abzuwarten und am Abend bei strömendem Regen zu sehen, ob denn „der Erfolg der Aktion“ doch etwas genutzt hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen