: Eierwerfen mit vielen Hindernissen
■ Rugby: FC St. Pauli verliert Zweitliga-Pokalfinale gegen Offenbach 15:17 Von Max Schulz
Jens Claus konnte sich auch eine halbe Stunde nach Spielschluß nur schwer beruhigen. „Warum haben die ausgerechnet, den jüngsten Spieler schießen lassen?“, klagte der zweite Vorsitzende der Rugby-Abteilung des FC St. Pauli am Sonnabend nachmittag nach der 15:17-Schlappe seiner ersten Männermannschaft beim Zweitliga-Pokalfinale gegen den BSC Offenbach im Hamburger Stadtpark.
Die Szene, die den Funktionär so erregte, trug sich zwei Minuten vor dem Ende zu. Der finale Angriffslauf der Hamburger konnte von den Hessen nur durch regelwidrige Mittel wenige Meter vor der Endzone gestoppt werden. Eigentlich drei sichere Punkte für die Hamburger, zumal der Ball so weit in der Platzmitte lag, daß der Schütze aus einem sehr günstigen Kick-Winkel abziehen konnte. Der 19jährige Markus Oelckers greift sich das Leder-Ei, geht einen Schritt zurück, dann noch einen, um einen noch besseren Schußwinkel zu erreichen. „Der ist zu weich!“, dringt es dumpf aus der 20-köpfigen Fanecke der Offenbacher. Oelckers, solche hooliganistischen Einlagen nicht gewohnt, läuft an. Der Ball geht an den Torpfosten vorbei und der Zweitliga-Pokal nach Hessen.
„Man kann ihm keinen Vorwurf machen“, verabreicht Claus Seelenbalsam und findet, zumindest in der ersten Halbzeit er eine gute Partie gesehen zu haben. Zweimal gelang es den beiden Mannschaften jeweils einen „Versuch“ zu legen, da heißt das eiförmige Spielgerät in der gegnerischen Endzone zu plazieren. „Das ist schon beachtlich“, zeigt sich Claus von beiden Teams beeindruckt. Bei den Kicks schafften es die Kiezspieler sogar einmal, aus der extrem schwierigen Position nahe der Außenlinie den Ball, der ein Ei ist, zwischen den beiden Torlatten zu plazieren.
Die zweite Halbzeit war mehr von der Spielzerstörung geprägt. Gedränge hier, Geschubse dort und en passant ein kleiner Knuff für den Gegner, so daß sich den Unkundigen unter den 200 Zuschauern die Frage aufdrängte: „Ist diese Sportart wirklich weniger hart als Handball?“ Einen schlechteren Stand als der gemeine Ballwurf hat dieses recht bodenständige Ballspiel in Hamburg auf jeden Fall. Und obwohl es in der Elbmetropole als schick gilt, zu betonen, Hamburg sei eigentlich britischer London, sind die deutschen Rugbyhochburgen eindeutig Hannover und Heidelberg. So war es nicht verwunderlich, daß trotz liebevoll inszenierten Rahmenprogramms (Grillstände, Diskothek) sich weit weniger Zuschauer einfanden, als der Veranstalter erhoffte. „Sicherlich war es ungünstig, daß heute diedeutsche Nationalelf spielt“, versuchte Claus das Ausbleiben der angekündigten 250 paadiegeilen St. Pauli-Fans zu erklären.
Jenen ist die Einführung in eine Sportart entgangen, die von der Dramatik, Atlethik und Schnelligkeit sicherlich ebenso viele Zuschauer verdient wie das Rugby-Derivat American Football.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen