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Kurt Masur eröffnete die Klassik-Tage

In der Warteschlange am Einlaß wurde ein Faltblatt des „Vereines für bewußtes Musikhören“ verteilt. Es warb für einen Kurs „Bruckner – Die Botschaft der Symphonien“. Doch ehe man, so eingestimmt, an Brahms und Bruckner das bewußte Musikhören schon üben konnte, erinnerten einführende Worte zur Eröffnung der St. Michaelis-Klassik-Tage mit Kurt Masur und dem Leipziger Gewandhausorchester an den 10. November 1989, als der Thomanerchor Leipzig – einen Tag nach der friedlichen Wende – im Michel sang und den Besuchern Tränen in den Augen standen.

Masur, der ja bekanntlich seit 1991 auch die New Yorker Philharmoniker leitet, wurde wegen seiner gelungenen Äußerungen kurz vor der Wende schnell zu einer Art Kulturbotschafter der deutschen Einheit hochstilisiert (nur der Spiegel betätigte sich als Nestbeschmutzer und grub Unrühmlicheres aus Masurs Vergangenheit aus) – und sein „deutsches“ Image brachte ihm auch in New York den Bonus gegenüber anderen hochkarätigen Kandidaten ein.

Zum Konzert: Brahms' Tragische Ouvertüre war eigentlich ein wenig zu düster für die vorbereitete weihevolle Stimmung, aber das fiel kaum auf, weil die herben Konturen des Werks im Hall des Kirchenraumes weitgehend verblaßten. Ein musikalisch sinnvolles Argument dafür, daß in der Michel-Akustik immer wieder sinfonische Werke aufgeführt werden, bot auch Bruckners 7. Sinfonie nicht. Dabei ist Bruckners Orchesterklang wie bei kaum einem anderen Komponisten am Raumklang der Kirchenorgel orientiert; bei der 7. Sinfonie sogar am stärksten.

Aber ein Orchester ist keine Orgel, und für Ohren, die die scharf konturierten Interpretationen Günter Wands gewohnt sind, klang Bruckner wattig und gedämpft. Doch soweit akustisch zu vernehmen, gelang Masur und dem Orchester eine stimmige und inspirierte Interpretation, die – verglichen mit Wand – die großräumige Architektur der Musik in etwas rhapsodischerem, kürzerem Atem und weicherem, ein wenig betulichem Tempo anging. Bei besserer Hörbarkeit, auf dem ein oder anderen Michel-Platz auch vorhanden, hätte das Konzert sicher gefallen.

Ludwig Seyfarth

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