„Rippenbrüche durch Passanten“

■ Polizisten vor Gericht. Vorwurf: Mißhandlung in der Haft

Die nachdrückliche Benutzung mindestens einer Faust des „Polizeimeisters auf Probe“, Lothar G., war gestern Gegenstand eines Prozesses beim Amtsgericht Tiergarten. Der Beamte, so die Anklage, habe im Anschluß an eine Kontrolle am 21. Mai 1994 im Wedding einen Vietnamesen, der des Zigarettenhandels verdächtigt wurde, im Polizeifahrzeug gegen die Wand gestoßen und zweimal geschlagen. Passanten hatten sich wenig später des unter starken Schmerzen leidenden Opfers angenommen und eine ärztliche Versorgung veranlaßt.

Dem ebenfalls vor Gericht stehenden Beamten Sven H. der an jenem Tag den polizeilichen Einsatzwagen steuerte, wurde vorgeworfen, nicht eingeschritten und auch später nicht gegen seinen Kollegen vorgegangen zu sein.

Sowohl Lothar G. als auch Sven H. bestritten den Tathergang. G. schilderte, daß er zwei Vietnamesen beim Zigarettenhandel in der Seestraße beobachtet hatte, die angesichts des Polizeifahrzeuges die Flucht ergriffen. Mit gezücktem Schlagstock, um „sich breiter zu machen“ und da bekannt sei, „daß Vietnamesen spitze Waffen bei sich tragen“, so der Angeklagte, verfolgte er den Verdächtigen längere Zeit bis in das Altbaugebiet Ungarnstraße.

Dort wurde der Flüchtende von zwei Passanten gestoppt. Daß eine Rippenverletzung, wie sie der Vietnamese davontrug, auch von einer solchen Begegnung rühren konnte, ließ sich die Verteidigung im Prozeßverlauf durch die beteiligte Ärztin der Notaufnahme bestätigen.

G. schilderte weiter, daß sich der Vietnamese widerstandslos zum Einsatzwagen habe führen lassen, vor – und nicht in – dem er kontrolliert wurde. Erinnern könne er sich an den „völlig normalen Vorgang“ nur deshalb, weil er während seines Dienstes bislang nur zweimal mit vietnamesischen Zigarettenhändlern zu tun gehabt habe.

Sven H. stützte die Schilderungen seines Kollegen, er habe mit der Überprüfung der Papiere des Vietnamesen und am Funkgerät zu tun gehabt, auch keine Geräusche im hinteren Teil des Wagens bemerkt, die auf eine Auseinandersetzung schließen ließen.

Während jene Beamten, die den Vietnamesen, der inzwischen nach Vietnam ausgereist ist, später vernommen hatten, seine Glaubwürdigkeit bezeugten, versuchte die Verteidigung, ihn und seine Aussagen in Frage zu stellen. So habe das Opfer offenkundig unter falschem Namen gelebt. Eine Tatsache, die der Geschädigte jedoch nicht verheimlicht hatte, sondern für die er nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung auch eine Anzeige wegen Urkundenfälschung kassiert hatte. Problematisch war allerdings, daß der Vietnamese bei der polizeilichen Gegenüberstellung, Lothar G. problemlos identifizieren konnte, G. jedoch der einzige war, der in der Runde einen Vollbart trug.

Die Vernehmung weiterer Zeugen dauerte bei Redaktionsschluß noch an. Kathi Seefeld