■ Die Duma erklärt die Beutekunst zu russischem Eigentum
: Legal oder legitim

Nach der Beutekunst-Entscheidung der Duma ist für die russische Seite nun alles klar. Nur solche Kunstgüter, die nach dem Krieg illegal nach Rußland gebracht wurden, müssen dem neuen Gesetz nach zurückgegeben werden. Illegal aber verließ nach russischer Auffassung nicht ein einziger van Gogh das Deutsche Reich. Moskau betrachtet die Beutekunst als legitime wie legale Kompensation für die durch Deutschland erlittenen Verluste.

Der auch jetzt wieder vom Bundesaußenministerium trotzig zitierte deutsch-russische Nachbarschaftsvertrag zieht deshalb nicht mehr. Auch in ihm wurde nur die Rückgabe „verschollener oder unrechtmäßig verbrachter Kunstschätze“ zugesagt, und die gibt es für die Duma nicht mehr – gleich, ob die einst deutschen Sammlungen von marodierenden russischen Soldaten oder von den offiziellen russischen Trophäen-Kommissionen kassiert wurden. Ob Boris Jelzin dem Beutekunst-Gesetz seine Unterschrift verweigern wird, ist fraglich. Durch das knappe Wahlergebnis ist der Präsident auf die Kooperation der gemäßigt nationalistischen Kräfte angewiesen – in der Duma stimmten immerhin 303 von 450 Abgeordneten für die neue Sichtweise. Und vom deutschen Bundesaußenminister hat Jelzin, ähnlich wie Li Peng oder Saddam Hussein, außer Absichtserklärungen nicht viel Konkretes zu befürchten.

Daß die Bundesrepublik alle Beutekunstwerke, also auch jene aus privaten Sammlungen, um die sich schon seit Monaten so diskret wie erfolglos deren Erben bemühen, zur Angelegenheit von nationaler Bedeutung stilisierte, hat alles noch beschleunigt: Deutschland fordere eine Revision der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges, hatte der russische Föderationsrat festgestellt, als im März 1995 das nun verabschiedete Gesetz eingebracht wurde. Durch den deutschen Nationalismus bekamen jene nie abgelösten Kulturkader um die Moskauer Museumsdirektorin Irina Antonowa Auftrieb, für die schon das bloße Zugeben der 45 Jahre lang geleugneten Existenz der Beutekunst-Konvolute in ihren Depots eine grenzenlose Demütigung bedeutet hatte. Dabei liegt genau darin der eigentliche Erfolg der Beutekunst-Debatte: Kunst, die verschollen war, ist endlich wieder sichtbar geworden. Die Klärung der Eigentumsfrage eilt gar nicht. Stefan Koldehoff