Shakes-Bier, Prost!

■ Das Festival „Die Wüste lebt!“ ging mit einem Doppelprogramm zu Ende

Drei Dinge haben die Stücke gemeinsam, die es am Samstag in den Kammerspielen gab: Junge Regisseure haben sie auf die Beine gestellt. Beide Inszenierungen waren schon in Hamburg zu sehen, aber die gebührende Beachtung erfahren sie erst jetzt, im Rahmen des Festivals Die Wüste lebt!. Und drittens reiten sie so sehr auf einer Masche herum, daß es nach einiger Zeit nervt.

Der Abend, der gestern zum Abschluß des Festivals noch einmal wiederholt wurde, startete mit dem Stück Othello. Der Geruch der Beute. Das Gefühl von warmem Blut., für das der Regisseur Oliver Schamberger die Shakespeare-Vorlage bearbeitet hat. Zu diesem Stück wird es anderswo möglicherweise viel Kluges über Symbolik, Fremdenhaß und die Aktualität Shakespearscher Ästhetik zu lesen geben. In der taz steht dazu: nette Unterhaltung!

Zypern liegt in den Alpen, vor einer kitschigen Fototapeten-Kulisse. Die Venezianer tragen Kniebundhosen, Gamsbart-Hüte und Jagdhörner, auf denen sie vergeblich zu hupen versuchen. Oberjäger Rodrigo zeigt, was eine ordentliche Salve ist, zwischendurch spritzt Bier nach dem obligaten „In-die-Mitte / an-die-Titte...“ aus kräftig geschüttelten Dosen. Nur der schwarz bepinselte Othello (Oliver Kraushaar) sorgt gelegentlich für Ordnung. Die Kampfszenen gegen „den Türken“ sind sportlich-lebensrecht. Ansonsten ist Schambergers Bewegungskonzept befremdlich, denn alle begleiten ihre Worte mit gestelzter Schultheater-Motorik. Richtig rund wird das Stück erst durch die hervorragende Musik von Wolfgang Leba.

Am Ende stinkt es nach – Zitat – „Shakes-Bier“, die Darsteller sind mit Blut und Othellos schwarzem Anstrich beschmiert. Ein paar Zuschauer haben inzwischen den Raum verlassen (was eine junge Theatertruppe ja durchaus freuen kann), ein Großteil der anderen tendiert Richtung Langeweile. Denn das Spektakel ist eine Stunde lang unterhaltsam, dauert aber fast zwei.

Da hat Bibiana Beglau es im Anschluß nicht leicht mit dem Eine-Frau-Stück Portrait. Image. Konzept. von Thorsten Wiesmann und Falk Richter, der auch Regie führt. Doch als Moderatorin einer Viva-ähnlichen Show legt sie so rasant los, daß ihr Publikum schnell ganz wach wird. Eine junge Frau auf dem Weg zur Fernsehkarriere erzählt und tänzelt ihre Erlebnisse beim Casting sowie gelegentlich kritische Selbstbeschauung vor.

Das ist richtig spaßig, besonders wenn die Grenzen zwischen Räumen, Zeiten, Improvisation und Vorlage verschwimmen: „Wenn ihr dann nachher unten steht und ,Prost' sagt und dann euren Sekt trinkt und euch über das Stück unterhaltet und sagt: ,Hmm, interessant, den Regisseur würde ich gern mal kennenlernen' ...“

Nach 45 Minuten ist auch hier der Unterhaltungshügel erklommen, auf der anderen Seite geht es wieder Richtung Gähnen. Doch gerade im richtigen Augenblick ist dieses Stück zu Ende – sein Team erntet Bravos.

Nele-Marie Brüdgam