Geschenk zu verkaufen

■ Arbeiterkammer will „Wyvern von Bremen“ versilbern / Ein Arbeitsförderungsprojekt als Privatveranstaltung?

Die Idee klang schlüssig: Jugendliche in Bremen Nord bauen für das Arbeiter-Bildungs-Centrum (ABC) der Arbeiterkammer eine Gaffelketsch nach klassischen Bauplänen, damit später Bremer Jugendgruppen darauf segeln. „Nach ihrer Fertigstellung wird die ,Wyvern von Bremen' als Ausbildungsschiff auf europaweite Fahrt gehen,“ versprach das ABC-Magazin vom November 1991. Der Vulkan, Abeking und Rasmussen, Klöckner, MTU – alles in allem über 40 Betriebe unterstützten ab 1989 mit Know-how und Sachspenden die Projektpläne des damaligen ABC-Präsidenten Rolf von der Thüsen.

Nun fühlen sich ehemalige Unterstützer ausgenutzt, denn das Schiff soll verkauft werden. Die „Wyvern“ ist nicht ausgelastet, die laufenden Kosten für das ABC zu teuer. Der Hamburger Schiffshandel Baum und König bietet das Schiff laut Katalog für 830.000 Mark an. Der geschätzte Wert liegt bei 2,4 Mio. Mark. Betriebsrat Konrad Bauer von der Vegesacker Vulkan-Werft, die allein 340.316 Mark an Material- und Fertigungskosten in das Schiff gesteckt hat, ist sauer: „Wir haben das gegen viel Theater durchgesetzt, nur wegen von der Thüsens Vorwand, es sei für die Jugendlichen. Wenn jetzt verkauft wird, ist das für alle in Bremen Nord ein Schlag in die Fresse.“

Schließlich ist das ABC an der Pleite mindestens mit schuld. Die „Wyvern“ war denkbar ungeeignet für Jugendreisen: eine 25 Meter lange Segelyacht mit gerade mal elf Kojen. „Das wußten wir auch, daß sich das schwer trägt“, erklärt einer der beiden heutigen Geschäftsführer des ABC, Dr. Peter Flieshart.

Doch nicht nur deshalb fuhr die Yacht Verluste ein. Der Förderverein „Wyvern von Bremen“ sollte die Nutzung des Jugendseglers koordinieren. Vereinsvorsitzender: Wolfgang Schgör, neben Flieshardt derzeitiger Geschäftsführer des ABC, Vereinsmitglieder: zwei von Schgörs ABC-Amtsvorgängern, Rolf Paarmann und von der Thüsen.

1.000 Jugendliche aus über 20 Betrieben und den Berufsschulen arbeiteten drei Jahre lang an dem Schiff – auch ein Heer von Bootsbauern im Dienste des ABC. Doch nur wenige kamen in den Genuß eines Segeltörns. Konrad Bauer: „Der Verein hat alles abgeblockt. Mir kam das vor wie eine Privatveranstaltung.“ Auch das Angebot von Klaus Tietze-Scheer vom Verein Sail Training e.V., das unterbeschäftigte Schiff zu nutzen, stieß nach seinen Angaben bei Schgör auf Desinteresse. Dafür charterten Vereinsmitglieder wie von der Thüsen, der zeitgleich mit der Fertigstellung der Ketsch sein eigenes Plattbodenschiff verkauft hatte, die „Wyvern“. Die laufenden Kosten für das ABC deckte das nicht.

Schließlich entschwand die Ketsch 1994 nach Rostock, wo sich von der Thüsen und Paarman im Kreuzfahrtgeschäft betätigten. „Das Schiff mußte dort keine Liegegebühren zahlen“, erklärt Flieshardt. Doch die wären auch in Bremerhaven, wo der Segler seit dem Herbst 1995 wieder zum Nulltarif liegt, nie fällig gewesen. Ist Flieshardts Garantie, dort sei das Schiff nicht privat genutzt worden, Seemannsgarn? Schließlich hatten die ABC-Herren von Projektbeginn an Privatvergnügen und ABC-Aktivitäten vermauschelt. Von der Thüsen, Paarmann, dessen Sohn und anderen schoß das ABC beim Sportbootführerschein dazu.

Bislang sind alle Versuche, die „Wyvern“ zu einem anständigen Preis zu verkaufen, gescheitert. Passen mußte auch der Förderverein. Seitens des ABC wächst das Interesse an einer Nutzbarmachung des Schiffes. Flieshardt: „In Bremen, für Bremer. Am besten in Form einer langfristigen Charterung.“ Nun soll trotz bisher gescheiterter Kooperationsversuche wieder mit Partnern wie der Aucoop Bootswerkstatt e.V. verhandelt werden. Doch Flieshardt ist skeptisch: „Jetzt schreit alles, aber bezahlen wollte die Kosten noch keiner. Das Schiff wird nicht verschleudert, aber die Verkaufsverhandlungen gehen weiter.“

Nicht nur im Falle eines Ramsch-Verkaufs sind eine Menge Fragen offen. Arbeitssenator Uwe Beckmeyer, der einen Imageverlust für andere Arbeitsförderungsprojekte fürchtet, läßt prüfen, ob sich ABC-Mitglieder persönlich bereichert haben. Geprüft werden müßte zudem, ob EU- oder Landesmittel im Schiff stecken, auch wenn Flieshardt meint, das sei „alles vom Tisch.“ Neben Spenden und dem guten Willen der Bremen-Norder steckt die Arbeit von städtischen Einrichtungen, vom DGB und von Bremer Berufsschülern in der Ketsch. L.R.