„Müll gehört zu einer Großveranstaltung“

■ Innensenator Schönbohm (CDU): Love Parade künftig nicht mehr als Demonstration. Klar sagen, „das Land Berlin unterstützt dies, indem ein Teil der Kosten übernommen werden“

taz: Hat sich die Streckenführung der Love Parade durch den Tiergarten bewährt?

Jörg Schönbohm: Wir werden das endgültig nach der Auswertung und nach Rücksprache mit den Bezirken entscheiden. Es haben 600.000 bis 700.000 Menschen teilgenommen. Man kann feststellen, daß auf der Strecke die Menschenmenge aufgefangen werden konnte. Ich kann mir deshalb vorstellen, daß man bei dieser Strecke bleibt. Dann aber mit einem besseren Müllkonzept.

Sie hatten jetzt einige Tage Bedenkzeit. Sind die Innenverwaltung und der Senat bereit, den Bezirk Tiergarten bei der Beseitigung der Schäden im Tiergarten finanziell zu unterstützen?

Der Veranstalter hat sich ja bereit erklärt, Kosten zu übernehmen. Es bleibt jetzt abzuwarten, welcher Betrag tatsächlich noch offen ist. Darum muß sich dann das Finanzressort kümmern, das mache ich nicht.

Ist der Innensenator bereit, die Love Parade nächstes Jahr wieder als Demonstration zu genehmigen?

Ich muß von den Entscheidungen der vergangenen Jahre ausgehen. Da handelte es sich um eine Demonstration. Es hat sich aber gezeigt, daß sich die Love Parade in den letzten Jahren anders entwickelt hat. Wir sollten im Senat offen darüber diskutieren, ob es weiterhin so bleiben soll oder ob man nicht sagt: Dies ist eine Veranstaltung, die aus Sicht des Landes Berlin positiv ist, und die unterstützen wir.

Die Frage, ob dies eine politische Demonstration sei, ist für Sie zweitrangig gegenüber der Tatsache, daß die Love Parade für die Stadt wichtig ist?

Ja. Man muß sich überlegen, ob man nicht den klaren Schritt macht und sagt: Es ist keine Demonstration, und das Land Berlin unterstützt dies, indem beispielsweise ein Teil der Kosten übernommen werden.

Wenn man die Love Parade nicht mehr als Demonstration genehmigt, muß man sich anders mit dem Problem Müll beschäftigen. Köln hat den Karneval, der ist auch unpolitisch. Dennoch räumt die Müllabfuhr den Müll weg. Wäre das für Berlin denkbar?

Ich denke ja. Jetzt wo die Love Parade soviel größer geworden ist, müssen wir das gemeinsam mit dem Veranstalter und dem Senat erörtern. Wir müssen uns klar dazu äußern. Nach meiner Auffassung ist es keine politische Demonstration, sondern ein Großereignis, das gut ist, aber wir müssen anders damit umgehen.

Kennzeichnet diese Auseinandersetzung um die Müllfrage ein provinzielles Denken in Berlin?

Darüber habe ich mich schon beklagt. Es wird nicht darüber gesprochen, daß 600.000 Jugendliche aus Deutschland und anderen Ländern hierherkommen, fröhlich zusammen sind und es keine Gewalttaten gibt. Das ist doch eine hervorragende Sache, ob man die Musik mag oder nicht. Jetzt die ganze Sache auf den Müll zu konzentrieren, finde ich sehr kleinteilig.

Bei der Reichstagsverhüllung von Christo im Sommer 1995 hat sich keiner über den Müll beklagt, der auch dort anfiel.

Richtig. Müll fällt an, das gehört zu einer Großveranstaltung. Es können nicht 600.000 Leute in Berlin sein, und keiner merkt was davon. Das hat auch Auswirkungen auf den Verkehr und auf die umgebende Landschaft. Im Tiergarten standen nicht genügend Müllcontainer herum, habe ich festgestellt. Daraus kann man lernen. Aber das kann nicht der zentrale Punkt der Diskussion sein.

Sollte man die Love Parade wieder in der Stadt, also zum Beispiel am Ku'damm, veranstalten?

Bei den Menschenmassen scheidet wohl der Kurfürstendamm aus, der seitlich so eng begrenzt ist. Wir hatten deswegen die Frankfurter Allee angeboten, die sehr viel breiter ist, einen Mittelstreifen besitzt und wo nicht soviel Geschäfte sind. Wir müssen jetzt feststellen, wie groß die Schäden im Tiergarten sind, und dann mit den Veranstaltern sprechen. Interview: Gerd Nowakowski