Mit geputzten Westernstiefeln

■ Die Punk-Rock-Wave-Allstarband Neurotic Outsiders spielt eine sonnengebräunte Version von „Never Mind The Bollocks“

Für die Vier von den Neurotic Outsiders gilt mit Sicherheit, was die Punkrockband Stiff Little Fingers schon vor fast zwanzig Jahren in die Leerlaufrillen ihrer Schallplatten ritzen ließ: „Rock'n'Roll is dead, but we are still dying.“ Steve Jones, gerade bei der Sex-Pistols-Reunion-Tour wiederentdeckt, die beiden bei Guns'n'Roses gefeuerten Duff McKagan und Matt Sorum sowie – Überraschung! – Duran Duran-Bassist John Taylor langweilten sich mit zuviel Sex und Drogen im sonnigen L.A. und fanden sich im Viper Room – so sagt die Mär – für ganz spontane Konzerte zusammen.

Natürlich kann das nur großartig werden, denn wenn sich solche Typen gleich so prima verstehen, daß sie sogar alte Sex-Pistols-, Clash- und G'n'R-Songs ohne vorherige Proben nachspielen können, dann kann hier nur der Nukleus für die siebzehnte Renaissance des einzig wirklichen Punk gefunden sein. Da wird fröhlich wieder gesungen, man habe „reasons for a revolution“ und daß man nicht mehr in eine „solution“ believed. Wir verstehen uns. Hier sind freundliche Herren mit Flecht-Tatoos unter Designer-Hemden dabei, absolut geschmacklos, uncool und irgendwie supergeil zu sein, was sie immer bleiben werden: Voll-Rocker mit geputzten Westernstiefeln.

Und das Pistol-Riffs ohne die eigentliche Bandbesetzung (und vielleicht auch mit dieser) 1996 doch nur klingen, wie der blanke Arsch des Schmock-Rocks, selbst, wenn man einen ehemaligen New-Waver mit in die Band nimmt, der ein wenig versucht wie Johnny Rotten zu singen, das mag den Herren eingefallen sein – es hat sie aber nicht davon abgehalten, eine sonnengebräunte Version von Never Mind The Bollocks aufzunehmen (inklusive einer selbstverliebten Abrechnung mit Johnny R. durch Jones in „Union“).

Und irgendwie ist man ihnen ja auch dankbar, daß endlich mal ein paar gestandene Gitarreros den Punk auf den Rock zurückstoßen und dir genau die eine Wahl lassen: Take it or leave it. Denn über solche Unverfrorenheiten kann doch eigentlich keiner ernsthaft böse sein. Es kratzt nur das Fundament des Punk wieder hervor, wie es abzüglich der charismatischen Führer und jugendlichen Verklärung gemauert wurde: aus städtischen Pubertierenden, die ihre Langeweile mit lauten Gitarrenakkorden vertrieben.

Natürlich sind die ironischen Sexismen des Punk, auch wenn sie von Talking-Head Jerry Harrison produziert und von Madonnas Maverick-Label veröffentlicht werden, hier eher ernst gemeint, die Anti-Pose zur Flegel-Mode erstarrt und der rote Faden der Vergangenheit doch eher bei Billy Idol – der ebenso wie Brain Setzer oder Iggy Pop als Gast schon mal die Auftritte der Band aufschmückte – angeknüpft beim Sex-Pistols-Original „Pretty Vacant“ – nur eben in Handgemacht.

Also: Es hätte schlimmer kommen können. Rock'n'Roll stirbt immer noch, und wer noch nicht tot ist, kann diesen Spaß bestimmt vertragen. Noch Fragen? Till Briegleb

Fr, 27. September, 21 Uhr, Logo