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Feuilleton und Fliegenklatsche

■ Preisverleihung für Robert Gernhardts literarische Satire

Robert Gernhardt erhielt im Literaturhaus den mit zwanzigtausend Mark dotierten Richard-Schönfeld-Preis für literarische Satire. Von dem Preis haben Sie noch nie gehört? Kein Wunder, denn er wurde von der Hamburgischen Kulturstiftung das erste Mal vergeben. Gestiftet hat ihn die Tochter Schönfelds, der im Nationalsozialismus wegen seiner Mitarbeit in der SPD denunziert und in ein Konzentrationslager verschleppt wurde.

Sicher ist private Kulturförderung positiv, aber hoffentlich kommt bei den Entscheidungsträgern für die öffentliche Förderung kein Entlastungsgefühl auf. Wer Robert Gernhardt noch nicht kennt, hat die Qual der Wahl. Der Satiriker, Cartoonist und Schriftsteller begann 1962 bei der Satire-Zeitschrift Pardon als Zeichner und Schreiber. Mit F.W. Bernstein und F.K. Waechter gestaltete er die Kolumne „Welt im Spiegel“ und war Mitbegründer von Titanic. Außerdem ist er Kinder- und Drehbuchautor. Wenn Gernhardt gelobt wird, dann meist beträchtlich. Seit dem Erzählband Kippfigur (1986) wird er als Satiriker und Literat ernst genommen. Für seine Texte gilt: Wer Kunst und Unterhaltung nach den Mottos trennt, „Kunst muß schwierig sein“ oder „Unterhaltung und Ernstes schließen sich aus“, wird enttäuscht sein. Wie Gernhardts Kritiker. Nicht nur die wurden bei der Preisverleihung verspottet. Der Kabarettist Matthias Beltz hielt eine Lobrede, in der er immer wieder Feuilletonisten und Religion, schließlich die „Wiedervereinigung“ und die unreflektierte Suche nach Tiefgründigem lächerlich machte – ein großes Vergnügen mit Ausnahmen. Und sein „Holocaust-Synchron-Schwimmen“ war nicht zum Lachen. Bei den Gedanken zur Satire gab es nicht viel Neues: Beltz spottete über jene, die fragen, „was Satire heute noch leisten kann“ und Gernhardt sprach in satirischem Ernst davon, daß seine Satire nichts bewirkt habe. An seiner Hoffnung ließ er indes – jetzt ernst und hintergründig – keinen Zweifel: Kritik könne mehr erreichen als zwanzigtausend Mark. Gernhardt trug auch unveröffentlichte Gedichte vor, doch sein Part war viel zu kurz. Frank Wolff imitierte auf dem Cello das Summen einer Fliege, die gerade noch Gernhardts imaginiertem Schlag mit der Fliegenklatsche entkam – ein Höhepunkt. Der Abend war überraschend schnell vorbei und Zugabe wurde nicht verlangt.

Ralf E. Werner

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