Noch nicht viel geklärt

■ In Lübeck sterben zehn Flüchtlinge bei einem Brandanschlag. Als mutmaßlicher Täter steht ein Bewohner vor Gericht

Zehn Menschen sterben, als in der Nacht des 18. Januar die Flüchtlingsunterkunft in der Lübecker Hafenstraße 52 in Flammen steht. Noch am Tag nach dem Feuer werden vier junge Rechtsradikale aus Grevesmühlen festgenommen. Drei von ihnen hatte die Polizei nachts in der Hafenstraße angetroffen – mit frischen Sengspuren an Haaren, Augenbrauen und Lidern. Dennoch werden sie am Folgetag wieder entlassen. Sie hätten ein Alibi, da sie kurz vor der vermuteten Brandausbruchszeit an einer entfernten Tankstelle beobachtet wurden.

Am 20. Januar wird der Libanese Safwan Eid verhaftet, der mit seiner Familie die Flüchtlingsunterkunft bewohnte und vom Dach des brennenden Hauses gerettet wurde. Er soll einem Sanitäter gestanden haben: „Wir warn's“. Bis zum 2. Juli sitzt er in Untersuchungshaft. Dann kommt er frei, da die Jugendkammer des Lübecker Landgerichts keinen „dringenden Tatverdacht“ sieht. Doch sie hält ihn für „hinreichend“, um die Anklage zuzulassen: Am 16. September wird der Prozeß wegen besonders schwerer Brandstiftung und fahrlässiger Körperverletzung eröffnet.

Noch während Safwan Eid in Haft ist, bildet sich eine Internationale Untersuchungskommission, die starke Zweifel daran artikuliert, daß das Brandopfer der Täter sein soll. Die Grevesmühlener geraten kurzzeitig wieder ins Visier. Ihr Alibi wackelt, denn das Feuer könnte früher ausgebrochen sein als zunächst angenommen. Die Staatsanwaltschaft aber nimmt keine neuen Ermittlungen auf. „Die Spur ist abgearbeitet“, erklärt Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schultz.

Bevor im Prozeß die Überlebenden der Brandkatastrophe zu Wort kommen, werden Feuerwehrleute und Polizisten vernommen. Ende November zieht der Vorsitzende Richter Rolf Wilcken eine Zwischenbilanz: „Wir haben nicht viel klären können.“ Der Großteil der Flüchtlinge veröffentlicht parallel eine „gemeinsame Erklärung“: „Safwan Eid ist nicht der Täter.“ Erst ab Dezember kommen sie auch vor Gericht zu Wort. Der Prozeß dauert an – vermutlich bis weit ins nächste Jahr hinein.