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Seelsorgende Mülltonnen

Umweltsünder können künftig per Müll-Hotline geoutet werden. Andree Möller von der Stadtreinigung, erläutert, wie  ■ Von Heike Haarhoff

Auf „Los!“ schrillt's los: In den nächsten Tagen will die Stadtreinigung die erste Hotline in der Hamburger Müllgeschichte eröffnen. Noch ist die Nummer geheim. Fest steht: Die telefonseelsorgenden Abfallberater nehmen künftig alle Ängste, Hinweise und Beschwerden zu Müllnotstand, -ferkeln und wilden Kippen in der Hansestadt entgegen – und sorgen für möglichst umweltschonende Entsorgung, wie Andree Möller, Pressesprecher der Stadtreinigung, im taz-Interview verspricht.

taz: War die Stadtreinigung früher nicht telefonisch erreichbar?

Andree Möller: Man konnte natürlich immer schon anrufen und Mißstände melden, aber eine eigene Stelle dafür gab es nicht. Hinter der Hotline verbergen sich mehrere Anschlüsse mit einer Warteschleife, die montags bis donnerstags von 9 bis 15 Uhr und freitags von 9 bis 13 Uhr Sprechstunde haben werden. In der übrigen Zeit meldet sich der Anrufbeantworter.

Gibt es außer Arbeitsbeschaffung noch andere Vorteile?

Es herrscht ein fürchterliches Kompetenzwirrwarr in dieser Stadt. Oft ist unklar, wer eigentlich für die Abfallbeseitigung zuständig ist. Wenn Leute beispielsweise wilde Kippen am Bahnhang entdecken, melden sie das im Zweifel bei uns, obwohl die Deutsche Bahn Ansprechpartnerin wäre. Naja, und dann hieß es früher schon mal: „Sind wir nicht für zuständig, tschüß.“

Und welches Motivationstraining stimmt Ihre Kollegen heute freundlicher?

Wir verstehen uns als modernes Serviceunternehmen. Deshalb haben wir vorformulierte Faxe bereitliegen. Wenn jetzt also Müllbeschwerden außerhalb unserer Zuständigkeit eingehen, leiten wir sie einfach per Fax weiter. Außerdem sind unsere Hotline-Mitarbeiter telefongeschult. Die sind in der Lage, die wüstesten Beschimpfungen auszuhalten.

Mutiert die Stadtreinigung damit nicht zu Hamburgs oberster Instanz für Denunziation?

Aber nein. Leute, die beispielsweise ihre Nachbarn denunzieren wollen, weil die ihren Müll nicht richtig trennen, sollen dafür auch geradestehen. Anonymen Anrufe gehen wir deswegen erst gar nicht nach. Wer sich beschwert, muß uns auch seinen Namen, Adresse und Telefonnummer preisgeben, allein schon wegen Rückfragen.

Und was sagt der Datenschutz dazu?

Da haben wir vorgesorgt: Die persönlichen Daten werden natürlich nicht weitergegeben und nach einem Vierteljahr gelöscht.

Die Stadtreinigung leistet sich seit kurzem auch fünf Mülldetektive. In einem Jahr haben die 115 Müllferkel gestellt und so 20.000 Mark Strafe eingenommen. Ist das wirtschaftlich?

Sicher kosten die fünf uns mehr als 20.000 Mark im Jahr, die arbeiten ja nicht zu Dumpingpreisen. Aber der Schaden, der allein durch ihre drohende Präsenz verhindert werden konnte, läßt sich nicht in Zahlen messen. Insofern ist das Konzept erfolgreich.

Welcher Schmutz stört die Hamburger denn am meisten?

Es kommen viele Klagen aus St. Pauli und St. Georg. Dann ärgern sich viele über Graffiti an Häuserwänden. Wobei man sich manchmal fragen muß, ob das nicht auch Kunst ist – Geschmackssache eben.

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