Kosmische Kosmetika

Die großen Hersteller machen anthroposophische Körperpflegemittel trotz aufwendiger Produktionsmethoden allmählich zur Massenware. Aber auch für spezialisierte Kleinbetriebe finden sich noch immer genügend Marktnischen  ■ Von Matthias Fink

Nach anthroposophischen Grundsätzen produzierte Kosmetika gelten als „anders“. Dieser Ruf hat seine Berechtigung, doch wer glaubt, die mit enormer Sorgfalt gefertigten Salben und Öle seien nur in stillen Spezialgeschäften erhältlich, wo vergeistigte Missionare hinter der Theke stehen, sieht sich getäuscht – und das nicht nur, weil es mittlerweile auch Bioläden von der Größe einer mittleren Supermarktfiliale gibt.

Weleda, neben Dr. Hauschka (Wala) einer der beiden großen Anbieter in Deutschland, hat mit der Belieferung einiger Drogeriemärkte vor rund vier Jahren sogar schon den Schritt in die Selbstbedienungsläden vollzogen: „Wir müssen auf den Kunden zugehen, nicht umgekehrt“, schreibt Marc Wethmar, Mitglied der deutschen Geschäftsführung des international agierenden Unternehmens in Schwäbisch-Gmünd, in einer Werbebroschüre des Hauses. Und PR- Assistentin Isabell von Heymann nennt einen weiteren Vorzug der Drogerieketten: „Wir können dort unser ganzes Sortiment anbieten.“

Das nämlich nimmt an Umfang beständig zu. Die anthroposophische Produktpalette wird dauernd erweitert, obwohl die Herstellung mancher Präparate einigermaßen kompliziert ist: Viele Rohstoffe stammen aus „biologisch-dynamischem Anbau“, dessen strenge Regeln neben der Verwendung spezieller Düngepräparate wie vermahlenem Quarz oder Hornmist unter anderem auch den Stand der Gestirne bei Aussaat und Ernte beachtet wissen wollen. Wer auf diese Weise in großem Maßstab produzieren will, muß schon einigen Aufwand treiben. Für viele Rohstoffe begnügt man sich allerdings auch mit dem „k.b.A.“, wie der kontrolliert-biologische Anbau in der Naturwarenszene inzwischen abgekürzt wird.

Wesentliche Elemente der besonderen Anbaumethoden entspringen dabei keineswegs aktueller Ökomode, sondern sind älter als das 1921 in der Schweiz gegründete Unternehmen selbst. „Beinahe sämtliche Pflanzen werden in aller Herrgottsfrühe, vor Sonnenaufgang, geerntet und am gleichen Tag verarbeitet“ erzählt Isabell von Heymann. Eine Ausnahme macht das Johanniskraut. Es wird – wie der Name schon sagt – immer am 24. Juni, dem Johannistag, eingefahren.

Weil das mühselige Frühaufstehen sich nur lohnt, wenn die Rohstoffe auch umgehend verarbeitet werden und ein weiter Transportweg sich deshalb verbietet, finden sich die meisten Anbauflächen in der unmittelbaren Umgebung von Schwäbisch-Gmünd. Wildpflanzen dagegen bezieht Weleda aus Sammlungen in der freien Natur, wobei die Öffnung des Ostblocks in den letzten Jahren neue Bezugsquellen, zum Beispiel in Tschechien, erschlossen hat. Gewächse aus konventionellem Anbau wiederum werden lediglich als Drogen verwendet. „Drogen“ – damit sind natürlich „getrocknete Pflanzen“ gemeint.

Weniger autark als bei den traditionsreichen Groß-Anthroposophen arbeitet man bei Kerinos, einer noch recht jungen Firma in der Schwäbischen Alb, die zu den kleineren Herstellern von Naturkosmetik gehört. Bis vor kurzem waren die Kerinos-Produkte – typisch für die Kleinen der Branche – nur im Direktvertrieb erhältlich, seit einiger Zeit lassen sie sich auch über Kosmetikstudios beziehen.

Der Betrieb auf dem Hofgut Fischermühle bei Rosenfeld entstand aus einer seit 1985 von der „Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung“ betriebenen Imkerei. Das prägt das Sortiment: „In fast jedem unserer Produkte ist etwas aus Bienensubstanzen drin“, erklärt Kerinos-Geschäftsführer Dietrich Mielentz. Im letzten Jahr kam ein Honigserum auf den Markt, dem dieses Jahr zwei weitere fettfreie Produkte folgen sollen. Bei den Bienen erhalten Arbeiterinnen, Drohnen (Männchen) und die Königin unterschiedlich kräftige Säfte, und dementsprechend hat Kerinos Präparate für verschiedene Hauttypen entwickelt. So enthalten Ampullen für die ältere Haut das kostbare Gelée royale. „Durch diesen Futtersaft entsteht die Königin“, erläutert Chefkosmetikerin Karin Otten. „Deshalb steckt darin die größte Lebenskraft.“

Was die Bienen nicht liefern, also pflanzliche Rohstoffe, stammt auch bei Kerinos weitgehend aus kontrolliert-biologischem Anbau, allerdings nur zum kleineren Teil von den gemeinsam mit dem ebenfalls auf anthroposophischer Grundlage arbeitenden Arzneimittelhersteller Helixor betriebenen, eigenen Flächen.

In SB-Märkten sucht man die Produkte der kleineren Hersteller zumeist vergeblich, doch dafür bieten sie eingehende Beratung: Kosmetikerinnen, die die Kerinos-Produkte optimal einsetzen möchten, können bei Karin Otten in einem viertägigen Kurs die von ihr selbst entwickelte Methode der „Ganzheitsbehandlung“ erlernen. Wer kürzere Infos schätzt, kann im Internet (http://www.verbraucher service.de) den „Pflegetip des Monats“ lesen und dort auch die Adresse der nächsten Kerinos- Kosmetikerin erfahren.