Weibliche Moderne

■ Die Zeitschrift „Frauen in der Literaturwissenschaft“feiert ihren 50.

Seit drei Wochen fahndet die Zeit in prominenten Kreisen nach den fünf besten Büchern der Welt. Im Kanon der Prominenz finden sich kaum Werke von Frauen – ein Resultat mit Tradition. Bereits 1980 rodete die Zeit das unübersichtliche Gestrüpp der Weltliteratur und schenkte ihren Lesern die „Bibliothek der 100 Bücher“. Anna Seghers Das siebte Kreuz war das einzige Werk einer Frau, das nicht aus dem Regal der Top 100 flog. Virginia Woolf, Ingeborg Bachmann, Christa Wolf, Marguerite Duras? Laut bildungsbürgerlicher Hitliste nicht wirklich von Belang. Dreizehn Jahre später wird im bundesweit ausgestrahlten Funkkolleg die „Literarische Moderne“in Europa und den USA zum fast ausschließlich männlichen Projekt erklärt. Kein Zweifel, die Arbeit der feministischen Literaturwissenschaft ist noch lange nicht erledigt, obwohl der Begriff im Zuge der Sex/Gender-Debatte für viele ein wenig welk klingen mag. Die Verknüpfung von feministischer Basisarbeit mit neuesten theoretischen Ansätzen ist das Ziel der 1983 an der Hamburger Universität gegründeten „Arbeitsstelle für feministische Literaturwissenschaft“. Nicht zufällig entstand diese Anlaufstelle gerade in Hamburg: An der Elbe lehrten Mitte der 80er Jahre Marianne Schuller, Inge Stephan und Sigrid Weigel – also die geballte Kompetenz in Sachen feministischer Literaturwissenschaft. Seit 14 Jahren wird in der Arbeitsstelle die Zeitschrift Frauen in der Literaturwissenschaft produziert, ein internationales Forum für Debatten um Literatur und Kultur, um Weiblichkeit und Gender Studies, um Schreibweisen und Lesarten. Ab heute feiert die Arbeitsstelle das Erscheinen des 50. Heftes mit dem Symposion „Bücher.Sendung“, das Wissenschaftlerinnen und Autorinnen der Gegenwart versammelt. Mit dem Jubiläum ist allerdings auch ein Abschied verknüpft: Die befristeten Stellen der Arbeitsstelle laufen aus, und damit hat auch die unermüdliche Produktion der Zeitschrift ein (vorläufiges?) Ende.

Claudia Thomsen