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Einer bilde des anderen Last

■ Rücksichtslos unplausibel: Brotfabrik und Sputnik Südstern zeigen eine Lothar-Lambert-Retrospektive

Frau Gloria Mundis Crux ist Blondheit. Einst als Marion Michael hüllenfreies Lianenmädchen in Hollywood, hat sie nun mit den Spätfolgen verblichenen Ruhms zu kämpfen. Ein ganzer Fanclub lauert ihr mehr oder weniger tätlich auf und pocht auf Autogramme.

Unerhört und ironisch abgetan bleibt das Motto des neusten Lambert-Films, „Blond bis aufs Blut“: Nimm mich bitte nicht so, wie ich bin, sondern wie ich immer sein wollte! Denn die Mundi (Hendrike Meier) ist brünette Perückenträgerin. Begleitet von ihrer Managerin (Ulrike S., der gehetzten Masturbandin aus „Alptraumfrau“), lebt sie ein Leben auf der Flucht. Ein bißchen wie Veronika Voss im Spiegel der Boulevardpresse. Jedenfalls mindestens so rücksichtslos unplausibel wie Räuberpistolen im wirklichen Leben.

Wie üblich ist fast die ganze Lieblingsmenagerie Lambertscher Filme versammelt. Denn nur wer sich mindestens einmal selbst spielt, hat hier Rollenoption. Lambert selbst sieht man diesmal nur in einer Nebenrolle als geschwätzigen Nachbarn von Hans Marquardt (BZ-Kultur) und dessen intravenös blonder Mutter Erika Rabau. Ein traumatisches Paar selbstverständlich, gemäß der Lambertschen Urformel: Einer bilde des anderen Last. So wird denn auch bald der unverzichtbare Psychologe Teil des Geschehens, selbstverständlich in erfolgloser Mission. Dieweil kräht Mutter Rabau als „Lolita Limited“ zum Nulltarif Obszönes mit Kleinmädchenstimme ins Telefon. Sohn Holger leidet und schmiedet demgemäß abseitige Rachepläne.

Noch in Schwarzweiß scharrte die Kamera bereits im Vorspann der zum Kultstatus avancierten „Alptraumfrau“ im vermeintlichen Unrat und stieß dabei auf Zartes. Angefangen mit der Fixerkolportage „Ex und Hopp“ von 1972, der ein Kerouac-Zitat kühn den „Weg der heiligen Knaben und Verrückten“ wies, haben die Filme rückblickend etwas unfreiwillig Nostalgisches. Zwischen Kranzler-Café und Ku'damm-Karree, schwulem Bumskino und dem Unterholz der notorischen Wohngemeinschaft kursieren die Charaktere und tragen dabei die werktypischen authentisch stockenden, teils gehemmten Dialoge vor.

Angesiedelt im campigen Irgendwo zwischen „deutscher Antwort auf Andy Warhol“ und dem um einiges schrilleren John Waters, lesen sie sich als Who's who der Subcity Berlin: Klaus Nomi als Hippie, Lotti Huber als sie selbst – was sonst? –, Cameo-Auftritte von Ingrid Caven, Brigitte Mira, Evelyn Künneke und natürlich der omnipräsenten Dagmar Beiersdorf. Eine in sich rotierende, selbstgenügsame Gemeinde, die es zufrieden scheint, sich und anderen vorzumachen, wie einfach Filmemachen sein kann.

In der jetzt stattfindenden, auf einige Kinos verteilten Retrospektive ist auch der mit Abstand poetischste Film von Lothar Lambert zu sehen, „Eins Berlin Harlem“, der gelegentlich – nicht nur weil Brigitte Mira mitspielt – an „Angst essen Seele“ auf erinnert. Bloß daß hier ausprobiert wird, wie man den „German Way of Living“ (so ein Zwischentitel) aus der Sicht eines ehemaligen GIs erkunden könnte. Leicht wie ein Roadmovie zu Anfang, bekommt die Geschichte trotz manch souliger Gesangseinlage bald etwas Moritatenhaftes. Aus dem schwarzen Exbesatzungssoldaten wird ein Drifter dritter Klasse. Ein „Yesterday Man“, den Zimmerwirtin Mira anfährt: „Wo sind wir denn hier, in Harlem, wa?

Im 23 Jahre später gedrehten „Blond bis aufs Blut“ hat sich das konzertierte Vorgehen der Produktions- und Darstellercrew erstaunlich frisch gehalten. Man hat sich sogar selbst übertroffen – diesmal ist selbst das Judy-Garland-Lookalike im Grunde seines Herzens strohblond. Gudrun Holz

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