Menscheln

■ Die Artrocker von Radiohead über Computer und den Musikmarkt

Das Geheimnis von Radioheads sechsminütigen Pop-Opern liegt in der Gelassenheit der Musiker. „Man darf nicht verkrampft darauf hinarbeiten, etwas zu bedeuten“, sagt Bassist Colin Greenwood. Vor gut einem Jahr begannen Radiohead im Landhaus der Schauspielerin Jane Seymour, wo sich Johnny Cash und The Cure schon mal eingenistet hatten, die Proben zu Ok Computer. Der Übungsraum war die Bibliothek. „Es ist wunderbar, in einem Raum zu arbeiten, der nicht nach Musikindustrie mieft“, erzählt Greenwood. „Der eine trommelt ein bißchen, der andere fügt etwas an der Gitarre hinzu, und schließlich greife ich zum Baß. Es stecken keine erdachten Konzepte in unserer Musik.“

Während sich Schweiß-Rocker wie U2 DJs kauften, die ihre Songs auf Clubstandard mischten, schleppten die Oxforder jede Menge alter Computer und Atari-Spiele in die Bibliothek und produzierten ihre Baß- und Drumloops selbst. Dabei konnten Radiohead ganz ohne den üblichen Druck der Plattenfirma arbeiten. „Nehmt auf, solange ihr wollt und mit wem ihr wollt“, war die Vorgabe. Drei Jahre zuvor hatte sich die ehemalige Schüler-Band noch wegen eines Plattenvertrags von On A Friday noch in Radiohead umbenennen müssen.

„Es ist ziemlich schwierig, in Deutschland den Erfolg zu wiederholen, wenn man nicht Judas Priest oder David Hasselhoff heißt“, meint Colin Greenwood. Und seit ihrer Psychopathen-Hymne „Creep“konnten Radiohead keinen Nummer-Eins-Hit mehr verbuchen. Dafür stehen sie jetzt mit Bands wie den Manic Street Preachers und Mansun an der Spitze einer neuen Musikbewegung: „New Wave of New Grave“soll, glaubt man den Weeklys, den auf der Stelle tretenden Britpop ablösen. Doch sobald keine Popgesten mehr im Spiel sind, wird ein autobiographisches Echtheitszertifikat von den Musikern verlangt.

Um den pseudopsychologischen Studien der Journalisten aber zu entgehen, lehnt Sänger Thom Yorke alle Fragen zu seinen Texten ab. Er hält sich an den Rat seines Freundes Michael Stipe von R.E.M., der nach der Veröffentlichung von Automatic For The People überhaupt keine Interviews mehr gab. Zum merkwürdigen Plattentitel gibt Yorke aber gleichwohl Auskunft. „Es gibt ein Gerät namens Zedec Spectrum, dessen Bildschirm zur Begrüßung die Worte ,Okay Computer' anzeigt. Das fanden wir so menschlich und niedlich, daß wir es als Albumtitel nahmen.“Warum aber dominiert die Gitarren-Wand von Radiohead dennoch alle Samples aus dem Computer? Hannes Ross mit Divine Comedy: Di, 1. Juli, 21 Uhr, Große Freiheit