Einstiegsdroge für Individualisten

■ 117 Bremer Unternehmer verdrehen die Augen, wenn ihnen von Corporate Identity gesprochen wird

Es treten auf: drei Herren in Schwarz. Das Design Zentrum Bremen lädt ein zur Fortbildung in Sachen Unternehmenskultur. Im Haus Schütting wird vor vollen Rängen ein barockes Bühnenspiel inszeniert. Der Titel: „Investitionen in Gestaltung lohnen sich!“Die schwarzen Herren auf der Bühne tragen die Namen Corporate De-sign (CD), Corporate Communication (CC), Corporate Behavior (CB) – drei Allegorien in einem Gesamtkunstwerk, das da heißt: Corporate Identity (CI).

Verborgen unter den Gewändern des CD ertönt die Stimme des Gastgebers, Handelskammer-Vize Walter Messerknecht. Weiß behemdeter Bauch unter dunklem Anzug, gelbe Krawatte mit dezenten roten Lilien: „Ein einprägsames Erscheinungsbild ist wesentlicher Bestandteil für ein erfolgreiches Unternehmenskonzept“. Gemurmelter Beifall. Da steht er, Walter Messerknecht himself, eine Bremensie mit leichten Schwierigkeiten auf dem Zischlaut, und sagt: Symbol für das gelingende Unternehmen sei immer noch der einzelne in seiner Individualität. Weil: Corporate Identity heißt, sich zu unterscheiden von allen anderen und ist „ähem“: „Leben“. Eben. Das Stichwort für Herrn Messerknecht kommt aus dem Drehbuch des „designhaus bremen“und heißt: „Hochstandardisierte Individualität“. Ob Mensch, ob Tier, ob Ding – gemeint ist ein „Produkt, das nicht mehr einem Standard im traditionellen Sinn unterliegt, sondern eher das variable Ergebnis einer unterschiedlichen Verknüpfung hochstandardisierter Gestaltungskomponenten bildet“. Doch Walter Messerknecht tritt jetzt zurück ins zweite Glied, als geschwätziges Symbol für Individualität will er nicht gelten.

Auftritt Dr. Klaus Berthold als Allegorie der Corporate Communication, kurz CC. Bauch verborgen unter dunklem Jackett, gelbe Krawatte dezent kariert. Das Modell „Classics“– eigenständig, marktoffen und sinnvoll. „Wir haben Walter Messerknecht gut erzogen“, nimmt er ein letztes Mal Rückbezug aufs Corporate Design, vor einem Jahr wäre dem Bremer Unternehmer dieser Vortrag so noch nicht gelungen. Das Design Zentrum als moralisch-pädagogische Anstalt – Chapeau! Dann wendet sich der große Kommunikator aus dem „designhaus bremen“den Visionen zu und – sich gleich wieder davon ab. „Kontinuität“, sprich: Wiederholung, steht in der Kommunikation von Unternehmens-Design ganz weit oben. So ist wohl auch auch die Devise von CC Berthold: Je kürzer die Botschaft, desto besser prägt sie sich ein. Also noch einmal: Das Design Zentrum Bremen ist mit seiner Designförderung die „Einstiegsdroge für Unternehmer“, die auf der Suche nach Identität sind. 117 Bremer Unternehmer im Auditorium verdrehen verzückt die Augen. Der Zuschuß des Wirtschaftssenators betrage fünfzig Prozent der Kosten fürs geliftete Unternehmens-Outfit, höchstens aber 40.000 Mark. Und – schnell, bevor das Publikum zur Besinnung kommt – noch ein Vademecum oben drauf: „Bremen ist die heimliche Hauptstadt des Verpackungsdesigns“. Bravo und HochlebedergelbeSack.

Abtritt des CC. Auftritt Eckhard Tischer, Markenmanager. Es wird ernst: Dunkles Jackett über Bauch, die Krawatte dezent kariert. „Ein neues Profil, das klar, faszinierend und wahr ist“. Sagt er und meint sein Brillenunternehmen Rodenstock. Das Ziel ist „schlicht“: „Wir wollen Brillen machen, die schön aussehen“. Aber schlicht und klassisch soll das auch bleiben, weil: Man kann nur werden, wer man ist, sagt die unternehmerische Identitätsphilosophie. Und das ist nicht modischer Firlefanz, sondern Rodenstock. Ein Nußknacker-Lächeln: „Das alles hat was mit Psychologie zu tun“und „Corporate Behavior ist das Schwierigste“. CB – das ist der Sektor eins im dramatischen Gesamtpaket der Corporate Identity. Hier findet sich, was man im Prozeß der Selbstfindung so braucht: ein paar Symbole und viel Harmonie. Mit Produktdesign ist es da nicht getan. Unternehmenskultur ist eine Kriegserklärung an wildwuchernde Kreativität. Ruf des CC Berthold aus zweiter Reihe: „Es gilt, die Truppe auf eine leuchtende Farbe, die gemeinsam entwickelt wird, einzuschwören“. Rodenstock zum Beispiel ist weiß-blau. Und der CB im dunklen Anzug – im Zivilberuf Markenmanager für Brillengestelle – präzisiert: „Da setzt man sich am besten mit den fähigsten Köpfen zusammen und macht ein Programm“. Das sickert dann langsam durch das Unternehmen. Von oben nach unten – sonst sickert da nichts.

Von heut' auf morgen geht sowas, Gott bewahre, nicht; Markenreform ist „keine Revolution“– und hat mit Arbeiterräten ohnehin nichts zu tun. Die Figur des Corporate Behavior braucht viel Geduld. Bei der „Überzeugungsarbeit“. Bis sich dann in ferner Zukunft die eigene Mannschaft präsentiert: mit eigener Erfahrung und eigener Kultur. So wie Rodenstock. Und wie die drei Allegorien in ihrem Gesamtkunstwerk diese Woche im Schütting am Bremer Marktplatz.

ritz