Durchs Dröhnland
: Ich bin's, Sam!

■ Die besten und schlechtesten Konzerte der kommenden Woche

Der gute Mann stellt sich allein mit Gitarre auf die Bühne, so wie es all die Schmerzensmänner tun, die man Singer/ Songwriter nennt. Doch Paul James Berry und seine Zwölfsaitige kommen vom Wave- Rock. Früher, in einem anderen Leben, war Berry Gitarrist bei Rose of Avalanche, einer mäßig erfolgreichen Kapelle mit wallenden Haaren und weihevoller Musik. Inzwischen sind die Haare gefallen, und Barry ist meist als Vorprogramm unterwegs. Im Gegensatz zu anderen aus dem Gewerbe der einsamen Männer jammert unser Freund aus Leeds aber nicht, sondern haut auf seine Gitarre, als wollte er die nicht vorhandene Rhythmusgruppe übertönen. Das kommt zwar irgendwie vom Folk oder Blues, was man auch an den Texten merkt („Working through the nighttime and fucking through the day“), ist aber meist so vehement vorgetragen, daß einem die Klischees von selbst ausgehen.

Mit Jeff Tarlton, 6.9., 21 Uhr, Huxley's Cantina, Hasenheide 108–114, Neukölln

Als Samiam 1988 in San Francisco zusammenfanden, waren sie so was wie eine Supergroup, wurden von Bad Religions Brett Gurewitz produziert und landauf, landab als bedeutender Einfluß gefeiert. Dummerweise hatte diese Musik damals schon eigentlich keine Zukunft mehr. Doch als die Industrie ein paar Jahre später anhand von Rancid oder Green Day feststellte, daß es immerhin eine lukrative Gegenwart für Punkrock gibt, fanden sich auch Samiam plötzlich bei einem Major-Label wieder. Allerdings nur, um gleich nach den zu niedrigen Verkaufszahlen der ersten Platte wieder rausgeworfen zu werden. Dann begann 1996 ein Gezerre um die Rechte am zweiten, bereits aufgenommenen Album, das erst in diesem Jahr bei einem Indie erscheinen konnte. Auf dem kann man hören, daß die routinierten Samiam (sprich: Sam I Am) schon lange können, was die Jungspunde finanziell umgesetzt haben: breite Gitarren, halbflottes Tempo und freundliche Melodien.

Mit Shades Apart, 6.9., 22 Uhr, Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Die „Totally Wired“-Compilations versuchen einen Bogen zu schlagen vom Soul und Funk der 60er und 70er zu den Tanzböden unserer Tage. Herausgegeben werden sie von Eddie Piller, der Ende der 80er das Label Acid Jazz gründete, um dort das James Taylor Quartet, Mother Earth oder Night Trains herauszubringen, die damals zum Teil als Retro-Abzocker verlacht wurden. Inzwischen zockt Jamiroquai richtig ab, und Piller ist Pionier geworden. Ähnliches gilt schon jetzt für seinen zwei Jahre alten Club in London, das Blue Note Café, in dem die einflußreichsten DJs Englands auflegen. So auch die gut ein Dutzend Köpfe starke Metalheadz- Crew, darunter Goldie, Photek oder Lemon D, die einmal die Woche das Blue Note beschallen. Für Acid Jazz, das Psychedelische, die Verbindung in die Vergangenheit ist im Blue Note vor allem DJ Oss zuständig, der nun mit Piller und dem Unique DJ Team aus Düsseldorf unterwegs ist, um „Totally Wired“ zum Tanzen zu bringen.

6.9., 23 Uhr, Roter Salon der Volksbühne, Rosa-Luxemburg- Platz, Mitte

Es gibt in diesen spätabendlichen Talk-Shows des öfteren den Moment, in dem der Moderator sagt: „So, jetzt wollen wir aber auch mal hören, wie das so klingt.“ Dann steht einer der Gäste auf und geht unter dem dünnen Beifall des Studiopublikums zur Bühne, um was vorzuspielen. Es könnte Till Brönner sein: Der Berliner schoß im letzten Jahr an den Jazz-Trompeter-Himmel, weil er es verstand, seine technisch perfekten, aber des öfteren etwas seelenlosen Improvisationen richtig zu verpacken – mal in flauschige Streicher, mal in cool-urbane Arrangements. Ob Hollaender oder Kreuder, Marvin Gaye oder Stevie Wonder, nichts war vor ihm sicher. Auch das JazzFest nicht und nicht die New Yorker Jazz-Szene, aus deren renommiertesten Studiomuckern er sich seine Combo für das letzte Album „Midnight“ engagierte. Dessen Erscheinen wird jetzt gefeiert.

6.9., 21 Uhr, Tränenpalast, Reichstagufer 17, Mitte

Dem Erfolgsrezept von Man Or Astro-Man? eifern auch Laika & the Cosmonauts nach: Außerirdische spielen Instrumentals. Während die Astromänner dabei noch den Schwerpunkt auf die gute alte Surf- Schule legen, haben die vier Kosmonauten, die momentan in Finnland zwischengelandet sind, ein etwas breiteres Repertoire in ihren Bordcomputer eingespeist. Man macht keinen Halt vor osteuropäischer Folklore, Psychedelic, Bargeklimper, Hardrock oder schmalzigen Balladen. Der Trick ist, daß es trotzdem wie ein einziger großer Hawaii-Toast klingt, der sich in der Musikbox auf der Kommandobrücke des Raumschiffs Orion dreht.

7.9., 21 Uhr, Knaack

Die beiden Brüder und ihr Cousin durchliefen in ihrer Heimatstadt Flensburg eine klassische Adoleszenzgeschichte: Der Pubertät entwachsen mit den Ausläufern von Punkrock, stellte man mit Soundgarden, Monster Magnet und spätestens Nirvana fest, daß es eine Vorgeschichte gab, ausdrücklich Led Zeppelin und Black Sabbath. Also nannten sie sich ULMe und begaben sich auf Spurensuche. Das Ergebnis ist ein träger Gitarrenrock, der eine fiese Unterschwelligkeit entwickelt, die man einer deutschen Band eigentlich nicht zutraut. Dazu adaptiert Arne Heesch souverän alle möglichen Stimmlagen vom Pathos bis zum Gekreische. ULMe befinden sich ganz und gar nicht auf der Höhe der Zeit, aber sie haben mit „Ordinary Diva“ die beste Danzig-Platte gemacht, die der gute Glenn seit „Lucifuge“ selbst nicht mehr zustande gebracht hat.

11.9., 22 Uhr, Duncker, Dunckerstraße 64, Prenzlauer Berg, Eintritt frei! Thomas Winkler