: Preistreiberei über die Grenzen
■ Scharfe Kritik der Fahrgastverbände an geplanten Tarifen des Verkehrsverbundes VBB: Teuer und unattraktiv
Das geplante Tarifsystem des Verkehrsverbundes Berlin Brandenburg (VBB) stößt bei den Kunden auf scharfe Ablehnung. Das Modell sei „hochkompliziert und kaum nachvollziehbar“, kritisierte der Fahrgastverband Igeb gestern. Die Initiative „Bürger für bessere Bahnen“ (BfBB) bewertete die Pläne als „verkehrspolitischen Skandal erster Güte“. Der Verkehrsverbund sei der „teuerste, komplizierteste, hinterhältigste und unattraktivste Deutschlands“. Auch die PDS erklärte, der Verbund bringe den öffentlichen Nahverkehr nicht weiter, sondern entpuppe sich als „Preistreiberei“.
Für die Mehrheit der Reisenden führe das Tarifsystem zu teilweise extremen Preissprüngen, sagte Igeb-Sprecher Matthias Horth. Besonders für mittlere Strecken und die Nutznießer von Ermäßigungen wie Bahncard oder Kindervergünstigungen stiegen die Preise um bis zu einem Drittel an. Von dem neuen Modell würden dagegen nur regelmäßige Pendler, rund drei Prozent der Bahnbenutzer, profitieren. Kinder würden statt 50 Prozent nur noch einen Rabatt von 25 Prozent erhalten. „Für Familien werden öffentliche Verkehrsmittel zum Luxus.“
Das Verbund-Konzept sehe für Vielfahrer einen mit fünf Preisstufen recht übersichtlichen Zeitkartentarif vor. Dagegen sei der Bartarif, den meist Gelegenheitsfahrer nutzten, viel zu kompliziert, kritisierte Horth. „Die Fahrgäste, die nur selten fahren, werden dadurch abgeschreckt und benutzen lieber ihr Auto. Wir halten deshalb den gesamten Bartarif für Schrott.“ Wer einen Einzelfahrschein lösen wolle, habe 30 Preisstufen zur Auswahl. Die meisten Verkehrsbetriebe könnten dies gar nicht anbieten und müßten deshalb Fahrkartenautomaten umrüsten oder neue anschaffen.
Als Gegenbeispiel für den zukünftigen VBB-Tarif nannte Horth die Tarifreform Anfang der 90er Jahre beim Verkehrsverbund Rhein-Ruhr. Dort seien die Tarife drastisch vereinfacht worden, was zu Fahrgastzuwächsen bis zu 30 Prozent geführt habe.
Das Tarifsystem des VBB soll zum 1. März 1998 eingeführt werden und die Möglichkeit bieten, mit nur einem Fahrschein alle Verkehrsmittel im VBB-Gebiet zu benutzen. Das Land Brandenburg soll dazu in rund 1.400 Tarifwaben unterteilt werden. Für kürzere Strecken steigen dabei die Preise, für längere Strecken werden sie billiger. Für die Strecke Lauchhammer–Berlin verringert sich der Preis von 35,30 Mark auf 26,10 Mark. Zwischen Berlin und Brandenburg werde dagegen für eine Familie mit Kindern „Bahnfahren teurer als Taxifahren“, monierte die BfBB.
Jürgen Senst vom VBB verwies darauf, daß es sehr einfach sei, sich an einem Automaten einen Fahrschein zu kaufen. Man müsse nur das Fahrziel eingeben, so wie es heute schon bei der Bahn üblich sei. Außerdem sei durch die Vielzahl der Tarifstufen eine größere Gerechtigkeit hergestellt. Ein Bespiel sei der einheitliche Stadttarif für Großgemeinden. dpa/taz
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