Herbst kommt, Vakuum herrscht

■ Weiter geht's mit SFB-Chaos: Radioreform hängt in der Luft

Einmal hatte der SFB, Berlins teure kleine Rundfunkanstalt, wirklich Angst um seine Zukunft. Das war, als im Frühjahr der ARD-Vorsitzende Udo Reiter überall herumüberlegte, wie man die Berliner Anstalt in ihrer jetzigen Form zusperren könne. Da trat SFB-Intendant Günter von Lojewski vor die Presse, die „Antwort auf die Sandkastenspiele eines apokalyptischen Reiters“ zu geben. Damit meinte er die geplante Radiokooperation mit dem ORB.

Das war's dann aber auch schon mit den Antworten. Aus dem Inneren der Anstalt, aus dem Berliner Senat und aus dem Westberliner Kulturestablishment wurde massiv gegen den Reformplan geschossen, besonders gegen das geplante Klassikprogramm mit dem NDR. Zweimal versagte der Verwaltungsrat der Reform seine Zustimmung, derweil der Intendant mal das Ende der Klassik-Pläne, mal sein Beharren darauf bekanntgeben ließ. Wochen trieb der Sender führungslos dahin, bis mit Ach und Krach und Taktik das Gremium seinen Segen gab.

Nun wird Akt zwei gespielt, und wieder herrscht das Chaos im Sender. Vergangenen Mittwoch hat der Verwaltungsrat die Programmpläne für Radio 3, wie die Klassikwelle nun heißt, abgelehnt. Jetzt liegt die ganze Programmreform auf Eis, während sich Hörfunkdirektor Jens Wendland vor der Presse Mut macht, der Rat werde am Mittwoch schon noch zustimmen.

Eine fatale Situation, zumal der erste Teil der Reform schon umgesetzt ist und der ORB sein Kultur- „Radio Brandenburg“ im Versprechen auf den Start zweier neuer Kulturwellen am 3. Oktober bereits abschaltete.

Vakuum im Äther, Vakuum im Sender. Die Angst der Kritiker: Nun lanciere man zwei Kulturprogramme, die konkurrieren, um irgendwann das sendereigene (heute SFB 3, künftig „Radio Kultur“) zugunsten der NDR-Kooperation abzuschalten. Die offizielle Begründung des Gremiums: „noch zu klärende Fragen“. Die sind vor allem finanzieller Art.

Die Frage des Verwaltungsrats ist dabei auch gar nicht so abwegig. Er will wissen, ob die veranschlagten 1,7 Millionen Mark für den 40- Prozent-Anteil ausreichen, den der SFB für Radio 3 liefern will.

Bei der Geldverteilung geht es immer noch um das ambitionierte Radio Multikulti, dessen künftige Finanzierung nach wie vor nicht ganz gesichert ist. Wenngleich der SFB-Programmausschuß Multikulti am Freitag – gegen den Willen des Intendanten – vom Provisorium zum dauerhaften Regelprogramm umdefinierte.

Doch dauerhaft ist in dem Sender überhaupt nichts klar, auch nicht seine Führungsspitze. Zwar kündigte Intendant von Lojewski dem Programmausschuß am Freitag an, er werde Hörfunkdirektor Jens Wendland, der Ende des Jahres zur Wiederwahl ansteht, im Rundfunkrat am kommenden Montag erneut vorschlagen. Doch zu seiner eigenen Zukunft schweigt Lojewski weiter: Hartnäckig werden Namen potentieller (und chancenloser) Nachfolgekandidaten lanciert (Phoenix-Chefin Groth, ARD-Programmdirektor Struve, Rundfunkratschefin Brinckmeier, TV-Direktor Schättle, Senatssprecher Butz). Hartnäckig hält sich auch die Behauptung, Lojewski wolle noch im Herbst aus gesundheitlichen Gründen seinen Rücktritt zum Jahresende ankündigen. Im Herbst, wenn die Radioreform unter Dach und Fach ist. Doch die versinkt einstweilen im Senderchaos. Lutz Meier