: Verwirrend blaßgelbe Wahlkärtchen
Maastricht macht's möglich: Zum ersten Mal wählen AusländerInnen morgen die Bezirksversammlungen. SPD, CDU und GAL stellen EU-Kandidaten auf ■ Von Judith Weber
Der Unterschied zwischen Griechenland und Hamburg ist der, wählen zu müssen oder zu dürfen. Dort liegt das Wahlbuch ein Bürgerleben lang im Regal und wird bei jeder Abstimmung registriert. Hier bringt die Postbotin blaßgelbe Wahlkärtchen – in diesem Jahr auch den 47.000 Hamburger EU-Bürgern. Morgen dürfen sie erstmals über Bezirksversammlungen abstimmen und dafür kandidieren.
„Das Interesse ist groß“, sagt Ladenbesitzer Christos Xenos. Die Mitbestimmung lockt, und alle großen Parteien haben ausländische BewerberInnen auf ihre Listen gesetzt. Zehn Frauen und Männer sind es insgesamt. Aus allen 17 wahlberechtigten Nationen kommen sie zwar nicht, aber immerhin aus sieben davon.
Dennoch blickt Xenos, Sozial–ökonom, Volkswirt und Altonaer SPD-Kandidat, skeptisch auf die Listen anderer Parteien. „Wie kann man als Ausländer in die CDU eintreten?“wettert er. Von politischen Zielen abgesehen: „Damit tut man sich doch keinen Gefallen.“
Denn im Unterschied zu GAL und SPD setzt die Union ihre EU-KandidatInnen bevorzugt auf aussichtslose Plätze. So auch Imbißbesitzer Symeon Profyllidis. Der 58jährige, der im Bezirk Nord „für den Mittelstand eintreten“möchte, steht an 17. Stelle der KandidatInnenliste. 13 Sitze hat die Partei momentan. Profyllidis nimmt's optimistisch: „Ich hoffe, daß durch die Stimmen der Ausländer einige dazukommen.“
Da kann er lange hoffen, amüsiert sich GAL-Mitte-Kandidat Spyridon Aslanidis. Die meisten EU-Bürger, glaubt er, werden links wählen. Wenn sie überhaupt zur Abstimmung gehen, nach Jahren auf der politischen Zuschauerbank. „Man stellt sich nicht von heute auf morgen um“, vermutet der 28jährige. Schon das deutsche Wahlsystem habe oft „für Verwirrung gesorgt“. Zwar verschickte das Wahlamt Merkblätter in elf Sprachen, aber „genug Informationen gab es nicht“. Spätestens, als die Deutsche Volks Union ihre rechtsradikale Werbung in Umschläge steckte, die denen des Wahlamts ähnelten, hätten viele ihre echten Stimmkarten versehentlich weggeworfen, weiß Aslanidis.
Beruhigend ist es da, daß sich wenigstens deutsche und ausländische Parteien ähneln. Viele Kandidaten sind der Partei treu geblieben, die sie schon in Spanien, Italien oder eben in Griechenland mochten. Christos Xenos war Mitglied der „Panhellenisch-Sozialistische Bewegung“. Die CDU gefällt Anhängern der „Nea Demokratia“wie Profyllidis, und für die GAL treten hauptsächlich jüngere Bürger ein.
Daß die ausländischen NeuwählerInnen Hamburgs Politik ändern, glaubt GALier Spyridon Aslanidis nicht. Zwar liegt ihr Anteil an den Stimmberechtigten bei 3,7 Prozent. „Aber auf Bezirksebene kann man kaum Ausländerpolitik machen.“Und die Bürgerschaft bleibt deutsch. Der Maastrichter Vertrag erlaubt EU-Bürgern lediglich, „alle kommunalen Gebietskörperschaften“mitzuwählen und sich für sie aufstellen zu lassen. Und das sind in Hamburg eben nur die Bezirksversammlungen.
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