Galaxie der Innenräume

■ Die Städtische Galerie Delmenhorst zeigt Bilder der zeitgenössischen Maler Norbert Schwontkowski und Sabine Wewer

Oldenburg ja, aber Delmenhorst? Dieser Name taucht in der Mittelstandsrhetorik der Bremer Kulturszene nur äußerst selten auf. Völlig zu Unrecht, wie eine soeben in der Städtischen Galerie Haus Coburg eröffnete Ausstellung beweist.

Getreu ihrer Devise, „Kunst als Forschungsstätte des Lebens“zu begreifen, präsentiert Galerieleiterin Barbara Alms gleichzeitig zwei VertreterInnen zeitgenössischer Malerei, deren Bildsprachen extrem voneinander abweichen. Zu sehen sind 30 großformatige Gemälde von Sabine Wewer, die ihrer Ausstellung den Titel „Two suns entering“gab. Im zweiten Stock der Galerie hat Norbert Schwontkowski seine „bildhauerschule“plaziert, eine Sammlung malerischer Arbeiten, die in Format, Farbgebung und Linienführung asketisch und leicht zugleich wirken.

Im Gegensatz dazu geleiten die Bilder von Sabine Wewer in eine alptraumhafte Schwere. Den riesigen Tableaus haftet etwas Sakrales an. Sie versperren den Weg, sind raumgreifende Zeugnisse der Unausweichlichkeit vor weiteren Stationen auf der Reise ins Innere.

Düstere Momentaufnahmen der Panik, der Angst und der Sehnsucht, denen sich ergeben muß, wer der Weltunter- oder auch der Weltaufgangsmelodie folgen will. Mystische Vergangenheitsbilder – breite Treppenaufgänge, groteske Schlösser, aus grünschwarzen Nebeln hervorbrechende Raubritter – verbinden sich mit ebenso mystischen Bildern aus welträumiger Zukunft. Planeten und Sonnen, von denen man nicht weiß, ob sie eine Verbindung haben zu der verschlungenen Nabelschnur am Mauerdurchbruch der Genetik.

Sabine Wewers Aufmerksamkeit gilt den Zwischenräumen. Sie beschreibt malend die Zustände, Aufstände, Leerstände einer zugeplunderten Seele. Im Mittelpunkt der Ausstellung der 37jährigen Bremerin steht die Arbeit „Liquid Skies“. Auch hier thematisiert sie den Drang der Menschen nach Entdeckung, nach Eroberung, die Sehnsucht nach einer neuen Welt: Acht Schiffe aus unterschiedlichen Jahrhunderten, darunter die Santa Maria von Kolumbus und ein Flugzeugträger, gemalt auf vier Meter hohen Gazewänden, die, hintereinander aufgehängt, jedem Luftzug folgen.

Wie von einem Sog nach oben gezogen, streben die Schiffe himmelwärts, jeder andere Weg ist aussichtslos versperrt von jenen Wänden, die die Begrenztheit einer Fortschrittsgläubigkeit markieren und doch immer wieder zu ihrer eigenen Überwindung locken.

Norbert Schwontkowskis Arbeiten verblüffen durch ihre Zurückhaltung. Bei dem 48jährigen, ebenfalls aus Bremen stammenden Künstler finden sich weder pompöse Bildwelten noch dramatische Farbkontraste. Der Malgrund, auf dem er seine auf einfachste Linienführung bedachte Malerei aufträgt, besteht beinahe immer aus Leinöl und Pigmenten, die er mit Binder auf der Leinwand fixiert. So entsteht ein kreidiges, meist grüngelblich schimmerndes Fundament, das das Licht und den Schatten aus schier unauslotbaren Tiefen herausschlägt.

Charakteristisch für die „bildhauerschule“Schwontkowskis ist die einfache Linienführung der Figuren und Gegenstände auf ihrem schwimmenden Malgrund: Da ist etwa der Kopf der buddhistischen Tempelfigur, die ihre Hände zum Pfiff an die Lippen hebt. Oder der Mensch am Kantstein, dessen Oberkörper vom Abgrund des Bildrandes verschluckt wird.

Eindeutig und doch seltsam verrätselt „Das Lied des Gondoliere“. Was zunächst wie eine kielwärts treibende venezianische Gondel aussieht, wird, wieder auf die richtige Seite gewendet, unversehens zu einem Gesicht.

„Absolute Innenbilder“nannte Dr. Eva Schmidt, Sprecherin der Gesellschaft für Aktuelle Kunst, anläßlich der Vernissage die „bildhauerschule“von Norbert Schwontkowski. Bilder, fuhr sie fort, die an ein japanisches Haiku erinnern, die die Poesie des Augenblicks einfangen und doch weit darüber hinausgehen, um auf eine dahinterliegende Welt der Geheimnisse zu deuten. Ein Phänomen, das, so Eva Schmidt, bei aller Unterschiedlichkeit die Arbeiten von Norbert Schwontkowski vergleichbar macht mit denen von Sabine Wewer. Dora Hartmann

Die Doppelausstellung in der Städtischen Galerie Delmenhorst, Haus Coburg, ist bis zum 14. Dezember zu sehen