piwik no script img

Schein-Erfolge

Rechnungshof rügt Zufallstreffer bei den Sparbemühungen des Senats: „Ins Fleisch schneiden, auch wenn's blutet.“  ■ Von Silke Mertins

Als der beste Sparkommissar diesseits des Schuldenreichs pflegt sich der neue Erste Bürgermeister und Ex-Finanzsenator Ortwin Runde (SPD) zu präsentieren. Gestern stellte ihm der Landesrechnungshof bei der Vorstellung des Berichts „über die Umsetzung der Haushaltskonsolidierung in den Jahren 1994 - 1997“ein nicht ganz so gutes Zeugnis aus. Zwar habe Runde sich redlich bemüht und „die Ziele richtig erkannt“, so der Präsident des Rechnungshofs, Hermann Granzow. Dennoch bestünde ein zu großer Teil der in den vergangenen vier Jahren eingesparten 800 Millionen Mark aus „Scheinerfolgen und temporären Einsparungen“.

So werden zum Beispiel Zufallstreffer als Sparerfolge gefeiert: Die Einführung der Pflegeversicherung und die Erhöhung des Kindergeldes entlasteten die städtischen Sozialkassen um 160 Millionen Mark. Deklariert sind sie als Konsolidierung – strukturelle Ersparnis.

„In allen Behörden gibt es Luft, und die muß rausgelassen werden. Wir müssen ins Fleisch schneiden, auch wenn's blutet“, wird der Rechnungshofchef drastisch. Der schlimmste Teil der Haushaltssanierung stünde Hamburg nämlich noch bevor, gerade auch im Angesicht der mit der November-Steuerschätzung erneut zusammengeschmolzenen Steuereinnahmen.

Die größte Gefahr sieht Granzow in der mangelnden Kontrolle. Unter Runde durften die anderen Behörden die ihnen zugewiesenen Beträge erstmals in eigener Regie verwalten (Budgetierung). Die Finanzbehörde kontrolliert aber nicht, ob auch vernünftig, das heißt „nachhaltig“gespart wird. So wurden nach Recherchen des Rechnungshofs manches Mal nur anstehende Ausgaben wie die Wartung der Gebäude verschoben statt Arbeit kostensparend umzuorganisieren. „Je länger man mit Verlegenheitslösungen arbeitet, desto riskanter wird es“, urteilt Granzow. „Die Erfolgskontrolle muß die Finanzbehörde leisten, wenn sie ihrer Verantwortung gerecht werden will.“Mehr noch: Das Parlament sei in seinen Kontrollbefugnissen eingeschränkt. Kein Abgeordneter könne nachvollziehen, ob Ein-sparungen herbeigemauschelt oder ob tatsächlich konsolidiert wurde. So habe beispielsweise eine Fachbehörde vorsichtshalber eine Million Mark mehr veranschlagt, um sie später großzügig als Beitrag zum Stopfen des Haushaltslochs zurückzugeben, so Granzow. „Das ist keine Konsolidierung.“Zur größeren Transparenz empfiehlt er, die Fachressorts zu Berichten gegenüber der Bürgerschaft zu verpflichten. „Eine Behörde muß merken, daß sie beobachtet wird.“

Die CDU sieht sich in ihrer Kritik am Haushaltsplan 1998 bestätigt. Insbesondere die Einnahmeerwartungen würden zu optimistisch eingeschätzt. Die neue Finanzsenatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel (SPD) versprach brav, den Bericht des Rechnungshofs zu überprüfen. Sie räumte ein, daß ihr noch „eine schwierige Wegstrecke“bis zu einem ausgeglichenen Haushalt bevorstünde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen