Was hat die Region von der Kooperation?

■ Bremen und sein Umland – Stadtoberhäupter und Senatoren debattierten und machten deutlich, daß sie den Wirtschafts-Kampf an der Landesgrenze nicht überwinden wollen

Es war eine erstaunliche Versammlung, die gestern im historischen Bremer Rathaussaal zusammenkam: Dutzende Bürgermeister, Landräte, Kommunalpolitiker aus der Region und die halbe Bremer Regierungsbank. „Einladung an die Region“ war die Überschrift der „Regionalkonferenz“, und nach den einleitenden Worten von Bürgermeister Henning Scherf schienen alle Kriegsbeile vergessen.

Der Oberkreisdirektor von Osterholz, von Friedrichs, appellierte, „bloß nicht über die Vergangenheit“ zu reden und „das Miteinander statt Gegeneinander“ zu sehen. „Hanse-Region Bremen“ könnte das gemeinsame Identifikations-Objekt heißen, ein „Großraumverband“ wie ihn Städte wie Frankfurt oder Hannover haben, schien ihm denkbar, denn „wir wollen eine starke Region sein.“ Die „Landesgrenze in den Köpfen“ müsse überwunden werden, „wenn es die nicht gäbe, wären wir in der Region schon weiter“. Friedrichs mahnte „Kühnheit“ an, die immer erforderlich wäre, um etwas zu verändern.

Ein Großraumverband ist allerdings eine Ebene der Verwaltungsmacht, an die Kompetenzen abgegeben werden müssen. Bausenator Bernt Schulte lehnte das für Bremen ab: Großraumverband – lieber nicht, meinte Schulte, die „Vielzahl der vorhandenen Verbände“ (die allesamt ohne Kompetenzen sind) sollten „gebündelt“ werden.

Richtig spannend wurde es, als in der Arbeitgruppe Wirtschaft Senator Josef Hattig referierte. Hattig hatte im Juli in Achim verkündet, die Zeit des „Friede, Freude, Eierkuchen“ zwischen Bremen und dem Umland sei vorbei. Nun waren natürlich alle gespannt, aus seinem Mund zu hören, ob er dies wirklich so gemeint hatte. Und Hattig redete Klartext: „Standortwettbewerb“ herrsche zwischen Bremen und den Nachbargemeinden, und da gibt es kein Pardon: „Bremen muß sich sanieren“. Die Region muß dies einsehen, muß „Interesse an einem starken Oberzentrum haben“, denn Bremen sei sozusagen die „Dachmarke“ der Region.

Woraufhin die CDU-Landtagsabgeordnete Astrid Vockert aus Cuxhaven fragte, was dann noch für Möglichkeiten stärkerer Kooperation blieben? Auch Frank Pantl, Achimer Bau-Dezernent, fragte das. Seine jüngste Erfahrung: Die Bremer SPD-Fraktion hatte die Idee, sich über Gewerbeflächen zu verständigen und z.B. die Hansa-Linie gemeinsam mit Achim zu entwickeln, aber das Bremer Wirtschaftsressort lehnt die Kooperation strikt ab. „Das ist das schwierigste Problem“, räumte Hattig ein, „im Zweifel ist jedem das Hemd näher als der Rock.“

Darauf konterte Achims erfolgreicher Bürgermeister Christoph Rippich, der gerade den Bremer Wirtschaftsförderern das Daimler-Zuliefererwerk Eldra vor der Nase weggeschnappt hat: „Wir haben Räume und Gebiete genug.“ In der offenen Konkurrenz haben schon in den letzten 20 Jahren Umland-Gemeinden wie Achim immer sehr gut gelebt. „Und ist es wirklich so schlimm, wenn einer 10 Kilometer zur Arbeit über die Landesgrenze fahren muß?“ fragte Rippich rhetorisch. „Wir haben die Räume nicht“, gestand Hattig ein.

Bremen als „Dachmarke“? das müßten Kommunen wie Wilhelmshaven oder Oldenburg ablehnen, meinte Wirtschaftsförderer Alexander von Harder. „Hanse-Region-Bremen“? Das lehnten die Bremer ab: „Die Region ist Bremen“, da waren sich sogar CDU-Senator Hattig und der linke Moderator der Diskussion, Rudolf Hickel, einig.

„Die Konkurrenz wird bleiben, da können wir hier reden was wir wollen“, sah der Bürgermeister von Oyten, Albert Duhn, sich bestätigt. Sein Interesse an Bremen als Bundesland liegt vor allem darin, daß Bremens Landesgrenze sein Oyten vor der Eingemeindung bewahrt.

Friedhelm Biestmann, CDU-MdL und stellvertretender Landrat in Vechta, muß keine Angst vor Eingemeindung haben. Er hatte ein eindeutiges Intresse an Bremen als Region, der Nord-Westen Niedersachsens wird nämlich aus Hannover stiefmütterlich behandelt. Deshalb braucht die Region Bremen, aber anders als es dem „sehr festgefügten Denken“ entsprach, das er im Rathaus sah: Man könne eine bundesweite Länderneugliederungs-Diskussion aus Bremen nicht aufhalten, meinte er. Und eingemeindet in Niedersachsen könnte Bremen „ein zweiter Kristallisationspunkt“ werden, ein „Gegengewicht gegen Hannover“. Wenn es diese Landesgrenze nicht gäbe, die den Wirtschaftsraum künstlich durchschneidet, „dann hätten Sie viele Probleme nicht“, meinte er.

Der Gedanke schien so ungeheuerlich, daß ihm nicht einmal jemand im Saal widersprach. K.W.