Come as you are mit Elvis auf dem Klo

■ Im Auftrag des Meisters und zum Wohle der Menschheit: Der irische Laiendarsteller Jim Brown treibt als The King die Leichenfledderei ziemlich unironisch zu ungeahnten neuen Höhen

Scheißen wie ein König? Für nur 1.900 Dollar kriegt man schon das Kloschüssel-Modell Nautilus in Form einer Schlange, mit Mahagonibrille und goldenen Griffen. Da hat schon Elvis Presley in Graceland gerne seine Notdurft verrichtet.

Ungleich weniger häretisch ist da doch Jim Brown, ein irischer Laiendarsteller, der sich „The King“ nennt und die Leichenfledderei zu neuen Höhen treibt. Nicht nur ist er einer aus der Heerschar von Elvis- Darstellern, er sammelt auch noch gleich Coverversionen von Songs berühmter Rock-'n'-Roll-Toter. „Gravelands“ hat er wenig pietätvoll seine Platte getauft. Auf der findet sich eine ebenso illustre wie obskure Schmetterlingssammlung: John Lennon (Mord durch Fan), Marvin Gaye (Mord durch Vater), Bob Marley (Gehirntumor), Eddie Cochran und Marc Bolan (beide Autounfall), Otis Redding und die Hälfte von Lynyrd Skynyrd (alle Flugzeugabsturz), Janis Joplin (Heroin und Whiskey), Jimi Hendrix (Erbrochenes), Scott Young von AC/DC (Drogen im Autorücksitz), Joy Divisions Ian Curtis (Strick), Kurt Cobain (Schrotflinte). Frank Sinatra (Altersschwäche) und Tim Buckley (Überdosis Heroin) haben Brown die Freude gemacht, noch rechtzeitig vor der Veröffentlichung das Zeitliche zu segnen. Fehlt eigentlich nur noch Cass Elliot von The Mamas and the Papas (erstickt an Sandwich), um dem guten alten Elvis (Tabletten und Erdnußbuttersandwiches) die Ehre zu erweisen.

Das Rezept mag ziemlich makaber sein, es ist fast noch durchschaubarer, aber halt auch ziemlich unfehlbar. Noch nie war der Tod so sexy wie heute. Was soll da schon schiefgehen, wenn Herr Brown im engen schwarzen Leder, Koteletten, Tolle und Hüftschwung als Dreingabe, den berühmtesten Toten der Popgeschichte in seiner besten Phase in Kombination mit einigen der besten Songs der Popgeschichte wieder aufleben läßt. Vor dem geistigen Auge wird da Supergroup auf Supergroup reanimiert, und keiner von denen kann sich noch wehren. Logische Folge: Die im typisch dunklen Elvis-Timbre vorgetragene Version von Nirvanas „Come As You Are“ rotiert längst auf allen Musikkanälen.

Die musikalische Umsetzung ist vorsichtig, der Auftrag dafür kam schließlich direkt von IHM. „Zum Wohle der Menschheit“, hatte Elvis Herrn Brown mitgeteilt, als er ihm eines Nachts erschienen war, aus völlig lauteren Motiven also, solle er dafür sorgen, daß die Toten nicht in Vergessenheit geraten. Nichts hat es sich also mit der leicht augenzwinkernden Ironie des Kollegen El Vez.

Statt dessen setzt Brown die Klassiker recht spartanisch und vielleicht tatsächlich im Sinne eines jungen Elvis um. Wir haben es hier zwar nicht gerade mit knochentrockenem Rockabilly zu tun, aber der ungesunde Pomp der Las- Vegas-Jahre ist noch Lichtjahre entfernt. Vor allem aber ist Brown nahe dran am Timbre des Originals. Es geht also auch ohne Klo: Einmal singen wie ein König. Thomas Winkler

24.10., 22 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg